Systemtheorie und soziale Online-Netzwerke

Systemtheorie und soziale Online-Netzwerke

Social Media. Wesentliche Merkmale sozialer Online-Netzwerke aus systemtheoretischer Perspektive

1 Einleitung

Soziale Online-Netzwerke haben so viele Mitglieder wie die größten Nationen der Erde Einwohner. Wenn vor einigen Jahren gesagt wurde, dass das Internet ein massenhaft genutztes mediales Phänomen sei, dann trifft dies spätestens 2012 ebenso für soziale Online-Netzwerke zu. Massenhaft genutzten Internetdiensten wie Suchmaschinen oder sozialen Online-Netzwerken kommen daher eine entscheidende Rolle bei der Selektion von Informationen in Gesellschaften zu, die über den Zugang zu solchen Internetdiensten verfügen.1 Ließ sich die Rolle des Vermittlers bis vor wenigen Jahren ziemlich eindeutig den Massenmedien zurechnen, so wird diese Aufgabe mehr und mehr durch die massenhafte Nutzung einschlägiger Internetdienste übernommen. Dies wirft die Frage auf, ob soziale Online-Netzwerke, die gemeinhin im Bereich Social Media verortet werden, den Massenmedien ähnlicher sind als häufig angenommen wird.

1.1 Aufgabe und Zielsetzung

Das interdisziplinäre Fach Kultur- und Medienmanagement bietet Möglichkeiten, derartige Fragen zu klären. Es kann Brücken bauen zwischen theoretischer Wissenschaft und praxisnahen Anforderungen. Dabei erfordert dieses Fach stets die Einbeziehung vielschichtiger Interessenlagen zur Problemlösung. Folglich müssen unterschiedliche Wissenschaftsdisziplinen befragt werden. In dieser Arbeit geht es darum, soziale Online-Netzwerke durch die Anwendung systemtheoretischer Konzeptauszüge nach Niklas Luhmann zu betrachten: Ein praxisnahes Internetphänomen wird durch ein theoretisches Instrumentarium der Sozialwissenschaften bearbeitet. Das Ziel besteht darin, die Positionierung sozialer Online-Netzwerke innerhalb der Gesellschaft aus Sicht der Luhmannschen Begriffe System, Kommunikation, Medien und Massenmedien herauszuarbeiten und folgende Leitfragen zu beantworten:

Inwiefern decken sich allgemeine systemtheoretische Mechanismen mit den Vorgängen in sozialen Online-Netzwerken?

Inwiefern sind soziale Online-Netzwerke Kommunikationssysteme?

Welche Rolle spielen soziale Online-Netzwerke als Medien?

Welche Parallelen gibt es zwischen den Mechanismen der Massenmedien und sozialen Online-Netzwerken?

1.2 Aufbau und Herangehensweise

Zum Aufbau der Arbeit: Nach einem einleitenden ersten Kapitel werden in Kapitel 2 wesentliche Merkmale sozialer Online-Netzwerke2 ausgearbeitet. Kapitel 3 enthält eine allgemeine Einführung in die Systemtheorie nach Niklas Luhmann. Kapitel 4 dient der Präsentation von Teilen der systemtheoretischen Terminologie nach Luhmann. In Kapitel 5 werden die Erkenntnisse zu sozialen Online-Netzwerken aus Kapitel 2 dem systemtheoretischen Begriffsapparat gegenübergestellt. Kapitel 6 fasst die wichtigsten Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit in einem Fazit zusammen.

Zur Herangehensweise: Die Systemtheorie nach Luhmann fußt auf einem detaillierten Begriffsapparat, der den Anspruch hat, die Gesellschaft einerseits ganzheitlich zu beschreiben und andererseits gesellschaftliche Teilbereiche miteinander vergleichen zu können. In diesem Duktus geht es in Kapitel 2 darum, zu möglichst trennscharfen Begriffen für die wesentlichen Merkmale sozialer Online-Netzwerke zu gelangen. Es sei dabei vorausgeschickt, dass unter ‚wesentlichen Merkmale‘ im Rahmen dieser Arbeit sichtbare Benutzungsoberflächen wie Mitgliederprofile, Nachrichtenfeeds oder Adresslisten sozialer Online-Netzwerke zu verstehen sind, die vorwiegend zur Kommunikation verwendet werden.3 Die Herausforderung besteht darin, konkrete Merkmale soweit zu abstrahieren, dass sie einen möglichst großen Radius sozialer Online-Netzwerke erfassen. Die Ausarbeitung basiert weitestgehend auf fachliterarischer Recherche anstatt auf empirischen Befunden. Um den Gegenstandsbereich sozialer Online-Netzwerke im gesamten Verlauf der Arbeit präsent zu halten, wird dieser Teil vorangestellt. Darüber hinaus werden in Kapitel 4 fortlaufend konkrete Beispiele aus dem Bereich sozialer Online-Netzwerke angeführt.

Nach einer allgemeinen Einführung in die Systemtheorie nach Luhmann4 in Kapitel 3 erfolgt in Kapitel 4 die Vorstellung zentraler Termini des systemtheoretischen Begriffsapparats. Der Schwerpunkt liegt hierbei auf den Begriffen System, Kommunikation, Medien und Massenmedien. Die Quellenrecherche bezieht sich auf die für diese Arbeit besonders relevanten Kernwerke „Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie“ (1984), „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ (1997) und „Die Realität der Massenmedien“ (2009). Die Herausforderung bei der Darstellung der Systemtheorie ergibt sich aus der Weitläufigkeit und Komplexität der Theorie. Die extrem reduzierte Auswahl einzelner Theoriestücke – mehr kann eine Arbeit dieser Größenordnung nicht erfassen – basiert auf einer Gratwanderung zwischen Verständniszusammenhang der Systemtheorie und Einhaltung der Umfangsbeschränkung der vorliegenden Arbeit.5

In Kapitel 5 werden die in Kapitel 2 gewonnenen Erkenntnisse zu sozialen Online-Netzwerken dem ausgearbeiteten Theorieauszug aus Kapitel 4 gegenübergestellt. Im Fokus der Diskussion steht die Erfassung sozialer Online-Netzwerke aus systemtheoretischer Perspektive. Aus diesem Blickwinkel werden die oben skizzierten Leitfragen bearbeitet und mögliche Antworten darauf gefunden, wie sich soziale Online-Netzwerke im Lichte systemtheoretischer Begriffe wie System, Kommunikation, Medien oder Massenmedien verhalten.

2 Soziale Online-Netzwerke

Bevor sich die Aufmerksamkeit auf die wesentlichen Merkmale sozialer Online-Netzwerke richtet, wird zunächst das Terrain abgesteckt, auf welches sich diese Arbeit erstreckt. Dieses Terrain umfasst das sogenannte Web 2.0 und das, was als Social Media bezeichnet wird. Beide Begriffe sollen im Folgenden erläutert werden, auch wenn sie mittlerweile weit über die Fachwelt hinaus bekannt sind.6

2.1 Web 2.0 und Social Media

Der Begriff Web 2.0 wird i.d.R. auf einen Beitrag des Verlegers Tim O’Reilly zurückgeführt. Er sorgte seinerzeit insbesondere mit seiner Versionsbezeichnung ‚2.0‘, wie sie im Bereich der Software-Entwicklung üblich ist, für Diskussion. Der Dissens hinsichtlich der Versionsbezeichnung besteht darin, dass ein technischer Versionssprung des Internets7 nicht stattgefunden hat. Die technischen Grundlagen sind im Vergleich zum Erscheinungsbild des Internets der ersten Dekade weitestgehend die gleichen geblieben. Nichtsdestoweniger hat sich der Begriff über den Status eines bloßen Schlagworts hinaus durchgesetzt und bedeutet etwa folgendes: „Unter Web 2.0 versteht man ganz allgemein den Trend, Internetauftritte so zu gestalten, daß ihre Erscheinungsweise in einem wesentlichen Sinn durch die Partizipation ihrer Nutzer (mit-)bestimmt wird. Der Grad der Partizipationsmöglichkeiten auf den entsprechenden Websites divergiert erheblich.“8 Die Divergenz reicht von reinen Bewertungs- oder Kommentarfunktionen bis hin zu Plattformen, die ganz und gar auf die Inhalte der Nutzerinnen und Nutzer abstellen und lediglich die Rahmenbedingungen vorgeben. Zu denken ist bspw. an Videoplattformen und eben auch an soziale Online-Netzwerke. Wenn etwa in der ersten Dekade des Internets statische, visitenkartenähnliche Websites das Gesamtbild prägen, sind es im Web 2.0 vorzugsweise dynamische Websites, die vor allem inhaltlich stetig in Bewegung sind.9

Während mit dem Begriff Web 2.0 ein umfassendes Konzept für die Bereitstellung und Nutzung von Internetdiensten gemeint ist, das je nach Perspektive Aspekte wie technische Entwicklung, rechtliche Rahmenbedingungen, ökonomische Gesichtspunkte oder Nutzungsfreundlichkeit einschließt, bezeichnet Social Media10 mögliche Formen innerhalb dieses Konzepts. Die Besonderheit von Social Media Plattformen gegenüber anderen Medienformen liegt darin, dass sie nicht schon durch ihre Bereitstellung, sondern erst durch ihre gemeinsame zweckdienliche Nutzung zu ihren spezifischen Formen kommen.11 Sozial bzw. sozialer als andere Medien ist Social Media deshalb, weil die Nutzung durch mehrere Nutzerinnen und Nutzer erfolgen muss, bevor eine Plattform dieser Gattung seinen Zweck erfüllt. Dabei geht es vor allem um Kommunikation im weitesten Sinne, Beziehungsaufbau und -pflege sowie kollaborative Zusammenarbeit. Zu denken ist u.a. an Blogs, Wikis, Sharing-Plattformen aller Art und soziale Online-Netzwerke.12 Im Rahmen dieser Arbeit gilt es zu akzentuieren, dass die Bedienung und Verwendung der Social Media Plattformen weitestgehend auf für Menschen bestimmte Sprache und Schrift beruht. Es wird sich im Verlauf der Arbeit zeigen, warum gerade der Aspekt des möglichen Agierens im Internet ohne jede Kenntnis von Maschinensprachen für die vorliegende Thematik von Bedeutung ist.13

2.2 Wesentliche Merkmale sozialer Online-Netzwerke

Unter sozialen Online-Netzwerken wird neben Blogs oder Wikis eine bestimmte Gattung von Plattformen innerhalb des Bereichs Social Media verstanden. Während im Fokus von Blogs oder Wikis inhaltsreiche Beiträge stehen, liegt der Schwerpunkt sozialer Online-Netzwerke auf der Selbstrepräsentation von Nutzerinnen und Nutzern und ihren Verbindungen zueinander. Für die weitere Untersuchung weitestgehend unerheblich ist, ob ein soziales Online-Netzwerk einen bestimmten thematischen Schwerpunkt setzt wie berufliche oder private Interessen. Gleiches gilt für die Konzentration auf ein bestimmtes Interessengebiet wie dies z.B. in Foren der Fall ist, die u.a. als Gruppen sozialer Online-Netzwerke auftreten können.14 Um ein übergreifendes Bild zu zeichnen konzentriert sich diese Arbeit auf die wesentlichen Merkmale sozialer Online-Netzwerke. Es geht um die für Nutzerinnen und Nutzer äußerlich wahrnehmbaren Hauptmerkmale sozialer Online-Netzwerke. Laut Fachliteratur15 zum Thema Web 2.0 und Social Media lassen sich insbesondere folgende acht Merkmale identifizieren: Allgemeine Voraussetzungen, Mitgliederprofile, Verbindungen, Nachrichten- und Kommentarfeed, Posts, persönliche Nachrichten und Chat. Diese sollen im Folgenden näher beleuchtet werden.

2.2.1 Allgemeine Voraussetzungen

Unter allgemeinen Voraussetzungen ist vor allem der Zugang zu internetfähigen Rechnereinheiten wie insbesondere Computer, Tablet PCs oder Smartphones zu verstehen. Letzteres bringt mit sich, dass der Zugang zu sozialen Online-Netzwerken nicht an einen bestimmten Ort gebunden ist, sondern am Körper mitgeführt werden kann. Zudem hat die Entwicklung des Gerätedesigns, vor allem die Einführung berührungsempfindlicher Displays, dazu geführt, dass externe Eingabe- und Steuerungshilfen wie Bildschirm, Tastatur, Maus, Mikrofon, Kamera oder Lautsprecher nicht mehr erforderlich sind. Die Geräteoberfläche selbst ist Eingabe- und Steuerungshilfe.

Neben der technischen Peripherie sind Personen16 erforderlich, die zur Verwendung von Rechnereinheiten und Interdiensten imstande sind. Da es sich bei sozialen Online-Netzwerken um mehr oder weniger geschlossene Plattformen handelt, ist zudem ein Zugang, bestehend aus Identifikation und Passwort, erforderlich, um aktiv am sozialen Online-Netzwerk mitwirken zu können. Außerhalb der Mitgliedschaft sind in den meisten Fällen eingeschränkte Darstellungsweisen der Plattform bzw. Mitgliederprofile sichtbar.17

2.2.2 Mitgliederprofile

Das in der Literatur am stärksten akzentuierte Element sozialer Online-Netzwerke ist das Mitgliederprofil. Profile dienen als selbstkontrollierte Selbstdarstellungsfläche. Profile können dabei nicht nur natürlichen Personen, sondern auch Organisationen nahezu jeder Art angehören, wobei sich der Funktionsumfang der Profilarten unterscheiden kann.18 Die in den Profilen enthaltenen Basisinformationen beruhen typischerweise auf der Wahl eines Profilnamens sowie biografischen Angaben. Darüber hinaus kann letztlich alles, was Personen oder Organisationen innerhalb rechtlicher Grenzen für mitteilenswert halten, anhand von Text-, Bild-, Audio- oder Videoinformationen inklusive Verlinkungen (Verlinkungen mittels Bilderkennungsfunktionen inbegriffen) auf ihren Profilen zur Schau gestellt werden.19

2.2.3 Verbindungen

Ohne Verbindungen (auch als Freundschaften oder Kontakte bekannt) würde ein soziales Online-Netzwerk aus einer Vielzahl bezugloser Mitgliederprofile bestehen. Mit Verbindungen sind folglich Kopplungen gemeint, die die Kontakte zwischen Mitgliederprofilen herstellen und archivieren. Jedes Mitgliederprofil verfügt so über Verbindungen zu anderen Profilen von Personen oder Organisationen, was anhand von sichtbar verlinkten Kontaktlisten (Adressbüchern) eines Profils dargestellt wird. Mittels dieser Verlinkungen lassen sich Profile erreichen, mit denen das eigene verbunden ist. Wird ein anderes Profil (verbunden oder nicht) als das eigene aufgerufen, lassen sich i.d.R. ebenfalls die Kontaktlisten einsehen. Somit lassen sich auch die Verbindungen des fremden Profils erreichen und ggf. neue Verbindungen knüpfen. Im Falle von Verbindungen nächsten Grades eigener Profilkontakte ist die Rede von „weak ties“ also schwachen Verbindungen.20 Über die unterschiedlichen Möglichkeiten Profile über Verbindungen aufzurufen hinaus, dienen Suchfunktionen dazu, Kontakte zu finden und ggf. zu knüpfen.21

2.2.4 Nachrichten- und Kommentarfeed

Bestandteil vieler sozialer Online-Netzwerke ist der Nachrichtenfeed (auch News Feed oder Stream genannt). Gemeint ist eine Art Sammelbecken für Mitteilungen und Aktivitätsinformationen, ausgelöst durch das eigene Profil sowie die Profile, zu denen Verbindungen bestehen. Die Darstellung erfolgt in umgekehrt chronologischer Reihenfolge und ist dem Prinzip von Microblogging-Diensten, allen voran Twitter22, nachempfunden. Der Kommentarfeed (auch als Pinnwand bezeichnet) wird weitestgehend im gleichen Erscheinungsbild auf dem eigenen Profil dargestellt. Dieser enthält Mitteilungen und Aktivitätsinformationen des eigenen Profils oder solche, die an das eigene Profil von verbundenen Profilen adressiert werden. Nachrichten- und Kommentarfeed sind die Hauptinstrumente für die Kommunikationsmöglichkeiten in sozialen Online-Netzwerken.23

2.2.5 Post

Mit Posts24 sind jene Beiträge gemeint, die in den Nachrichten- oder Kommentarfeeds gesendet oder buchstäblich ‚gepostet‘ werden. Eine vergleichbare Aktion ist der Vorgang des Social Sharings, d.h. das Mitteilen von Inhalten wie Links, Fotos oder Videos.25 Posts bestehen, ebenfalls in Anlehnung an Microblogging-Dienste, meist aus kurzen Mitteilungen, ggf. ergänzt durch Social Sharing-Funktionen, also das Anheften von Links, Fotos oder Videos. Posts sind vorwiegend für alle verbundenen Profile bestimmt. Über diesen Adressatenkreis hinaus können beim Besuch eines direkt verbundenen Profils auch Posts der „weak ties“, d.h. den Kontakten höheren Grades, empfangen werden. Posts, als einzelne Mitteilungseinheiten in Nachrichten- und Kommentarfeeds verstanden, finden folglich als teilöffentliche Kommunikation statt – Öffentlichkeit hier schlicht verstanden als unbekannter Adressentenkreis.26

2.2.6 Persönliche Nachrichten und Chat

Dem herkömmlichen Prinzip des Internetdienstes Email sehr ähnlich, verfügen soziale Online-Netzwerke über eigene Nachrichtendienste zum Senden und Empfangen persönlicher Nachrichten. Diese Nachrichtendienste erlauben eins-zu-eins Kommunikation zwischen Mitgliederprofilen. Gleiches gilt für interne Chatdienste, die zudem über die Funktionsweise von Telefonie und Videotelefonie verfügen können. Außerdem ist die Nutzung der Nachrichten- (dann als Email) und Chatdienste teilweise über die Grenzen des sozialen Online-Netzwerks hinaus möglich.27

2.3 Zusammenfassung

Für die vorliegende Arbeit lässt sich aus den oben genannten Bestandteilen sozialer Online-Netzwerke folgende Zusammenfassung ableiten:28 Vor dem Hintergrund allgemeiner Voraussetzungen, bestehend aus Rechnereinheiten und Internet, sind soziale Online-Netzwerke vorwiegend geschlossene Plattformen. Sie bieten Personen oder Organisationen die Möglichkeit, sich selbst mittels Mitgliederprofil, individuell ausgestattet mit Text-, Bild-, Audio- oder Videoinformationen und ggf. Verlinkungen, darzustellen. Zwischen Profilen werden Verbindungen hergestellt, die, in Kontaktlisten visualisiert und verlinkt, die Abrufbarkeit anderer Profile ermöglichen. Neben der eigenen Adressliste lassen sich Verbindungen fremder Profile einsehen und sich so neue Kontakte finden und knüpfen. Außerdem bieten Suchfunktionen die Möglichkeit gezielt nach Mitgliederprofilen zu suchen. Über den eigenen Adressatenkreis hinaus erfolgt Kommunikation meist mittels Posts, die in Nachrichten- und Kommentarfeeds visualisiert werden. Persönliche Nachrichten- und Chatdienste ermöglichen eins-zu-eins Kommunikation auch über die Grenzen des sozialen Online-Netzwerks hinaus.

Diese kurzgefasste Skizze soll im weiteren Verlauf der Arbeit dazu dienen, die Bestandteile sozialer Online-Netzwerke mithilfe eines systemtheoretischen Ansatzes zu beschreiben. Um den Zusammenhang zu sozialen Online-Netzwerken nicht aus dem Blick zu verlieren und die Abstraktheit der Systemtheorie immer wieder auf einen konkreten Sachverhalt zurückzuholen, werden im Laufe des systemtheoretischen Teils fortlaufend Beispiele aus dem Bereich sozialer Online-Netzwerke angeführt.

3 Einführung in die Systemtheorie

Die Systemtheorie nach Niklas Luhmann ist das Unterfangen eine ganzheitliche Gesellschaftstheorie zu formulieren. Sie ist als abstrakte Universaltheorie angelegt, was bedeutet, dass sie sich auf die Gesellschaft als Ganzes wie auch auf gesellschaftliche Teilbereiche anwenden lässt. Durch ihren hohen Abstraktionsgrad ist sie imstande, vollkommen heterogene Sachverhalte wie z.B. Wirtschaft und Liebe mit einander zu vergleichen. Im Zentrum der Theorie stehen dabei soziale Systeme, die aus nichts anderem als Kommunikation bestehen. Das Verständnis sozialer Online-Netzwerke als kommunikatives Phänomen ist Auslöser dafür, die Systemtheorie als probates analytisches Instrumentarium auf die sich hier abspielenden Vorgänge anzuwenden. Hieraus ergeben sich spezifische Herausforderungen, die in den grundsätzlichen Bedingungen und Wesensmerkmalen der Systemtheorie selbst begründet liegen. Diese Aspekte sind Gegenstand der Kapitel 3.1 sowie 3.2 und es gilt sie für den weiteren Verlauf der Arbeit präsent zu halten.

3.1 Der Systemtheoretiker Niklas Luhmann

In der Auseinandersetzung mit der Systemtheorie ist es wichtig, sich immer wieder darauf zurückzubesinnen, dass es Luhmann als Soziologe darum ging, eine ganzheitliche und universell gültige Theorie der modernen und damit einer komplexen29Gesellschaft zu verfassen. Die zentrale Frage lautet: Wie funktioniert Gesellschaft? Hierauf hat er fast 30 Jahre seines Lebens verwendet, dabei ein immenses Werkvolumen und ein seinerseits komplexes Theoriekonzept entstehen lassen.30 Sein Werk, bestehend aus Büchern und anderen linearen Schriftwerken, ist zu einem Großteil aus einer Arbeitsweise heraus entstanden, die auf der Verwendung von Zettelkästen beruht. Diese Arbeitsweise eröffnet den Gebrauch von Hypertexten, die, dem Internet ähnelnd, inhaltliche Verbindungen und Querverweise in alle erdenklichen Richtungen ermöglichen. Diese Nichtlinearität, die die Theoriestruktur prägt, lässt sich nur bedingt in die Linearität von Vor- und Folgeseiten eines Buchs einbringen. Hieraus resultiert, dass während der Lektüre immer wieder Passagen auftreten, die spätere Passagen zum Verständnis voraussetzen. Daher erfordert der Einstieg in die Luhmannsche Prosa Geduld und Ausdauer, bevor sich verständnisreiche Zusammenhänge ergeben. Sie fordert aber ebenso dazu auf, sich von der linearen Schreib- bzw. Lese- und vor allem Denkweise zu lösen.31

Hinsichtlich der universellen Gültigkeit der Theorie besteht Luhmanns Anspruch darin, alle Bereiche der Wirklichkeit zu erfassen, d.h. die Welt als Ergebnis einer Beobachtung, Gesellschaften im Allgemeinen, ihre Teilebereiche im Speziellen, die Systemtheorie selbst und eben auch ausgewählte Gegenstandsbereiche wie eine in dieser Arbeit aufgegriffene Thematik. Um das Theoriekonzept entsprechend universell auszurüsten löst sich Luhmann von jeder Empirie, da diese immer dazu neigt, sich in Spezialfragen zu verfangen und die Theorie damit an Universalwert zu verlieren droht. Dem Erhalt des Universalwerts geschuldet, erscheint es angemessener die Theorie auf einer hohen Abstraktionslage zu konzipieren, laut Luhmann: „Der Flug muß über den Wolken stattfinden“32. Auch die Abstraktheit der Theorie erschwert zweifellos den Einstieg, obgleich Luhmann sich keiner übermäßig komplizierten Sprache bedient.33

3.2 Besonderheiten der Luhmannschen Theorie

Bevor zentrale Begriffe der systemtheoretischen Terminologie in Kapitel 4 vorgestellt werden, seien zunächst vier Besonderheiten der Luhmannschen Theorie vorausgeschickt.

1. Die fundamentale Denkhaltung und Überzeugung, in der die Systemtheorie Luhmanns gelagert ist, heißt operativer Konstruktivismus. Luhmann geht davon aus, dass es eine Realität gibt und in dieser Realität Phänomene existieren, die sich unterscheiden und bezeichnen, d.h. beobachten, lassen. Wenn es heißt, dass „[j]edes selbstreferentielle System [nur] den Umweltkontakt [hat], den es sich selbst ermöglicht, und keine Umwelt „an sich““34, beinhaltet dies Folgendes: Jede Beobachtung kann immer nur Konstruktion einer Wirklichkeit im Sinne einer eigens zugänglichen Umwelt sein und nie die allumfassende externe Wirklichkeit selbst. Mit Beobachtung ist dabei eine Operation gemeint, die von einer Beobachterin und einem Beobachter autonom in Bezug auf sich selbst (daher selbstreferenziell, s.o.) durchgeführt wird. Aus diesem Grund ist die Rede von operativem Konstruktivismus.35

2. Ein weiterer grundlegender Mechanismus der Theorie ist ein binärer Schematismus, den die gesamte Theorie durchzieht und sich insbesondere im Aufbau der Luhmannschen Terminologie zeigt. Unter der Binarität ist zu verstehen, dass immer etwas von etwas anderem zur Schärfung des bezeichneten Phänomens unterschieden wird, wobei es sich meist um untrennbare Seiten ein und desselben Phänomens handelt. Zu denken ist hier etwa an System/Umwelt oder Medium/Form36, aber auch daran, dass die Bestätigung einer Offerte immer auch die Negation derselben beinhaltet – zum Beispiel: Etwas wird als warm unterschieden und bezeichnet, wodurch untrennbar beinhaltet ist, dass es nicht kalt ist.

3. Der dritte fundamentale Ausgangspunkt betrifft die Begriffsdefinitionen, die selten in die gewohnten assoziativ semantischen Kategorien fallen. Luhmann fasst viele Begriffe neu und beruft sich dabei auf z.T. weit zurückblickende historische Herleitungen unterschiedlicher Wissenschaftsdisziplinen. Mit dem Anspruch, eine neue Theorie innerhalb der Soziologie zu erschaffen, dient die begriffliche Neufassung der Säuberung eingeschliffener, für ihn nicht treffender, Bedeutungen und ist gleichzeitig Voraussetzung für den Aufbau eines konsistenten selbsttragenden Theoriegebäudes. Der Begriffsapparat arbeitet dabei nicht monokausal, sondern zirkulär: „Die Problematik liegt darin, dass die Begriffe zirkulär sind und ich immer etwas voraussetzen muss, was ich erst später erläutere.“37 Auch Paradoxien bleiben nicht aus, und es gilt dies als Denkhaltung zu akzeptieren.38

4. Der letzte grundsätzliche Aspekt ist der Trennung von Voraussetzungen und systemtheoretischen Definitionen gewidmet. Es geht hier vor allem um die häufig geäußerte Kritik, Luhmann leugne die Existenz des Menschen. Dieser Kritik kann bei genauerem Hinsehen nicht zugestimmt werden. Ganz im Gegenteil: Luhmann betrachtet den Menschen und seine Bedeutung als Voraussetzung alles Weiteren.39 Ohne Menschen gäbe es überhaupt keinen Anlass, der Frage, wie Gesellschaft funktioniert, nachzugehen. Alles, was Luhmann in diesem Kontext meint, ist, dass ein Mensch ein viel zu komplexes Gebilde ist, um es mit der nötigen Trennschärfe als Analyseeinheit in die Theorie sozialer Systeme und die Definition der Gesellschaft zu integrieren. Soziale Systeme bestehen demnach nicht aus Menschen, aber Menschen sind eine unabdingbare Voraussetzung für soziale Systeme.40

Abschließend sei zusammengefasst, worin die Besonderheiten der Systemtheorie nach Luhmann bestehen: Es geht um eine abstrakte Theorie der Gesellschaft und all ihrer Teilbereiche. Es geht um eine Theorie, die es mit komplexen Sachverhalten aufnimmt und selbst komplex ist. Alle Kommunikation ist immer eine mögliche Variante eines selbsterzeugten Auszugs der Wirklichkeit und niemals die Wirklichkeit an sich. Die Theorie arbeitet entlang eines binären Unterscheidungsrasters. Monokausale Denkmuster sind unerwünscht, und Paradoxien ist nicht auszuweichen. Voraussetzung und skizzierter Sachverhalt sind voneinander zu trennen und letztlich sei Folgendes betont: Es geht in der Systemtheorie um „ein analytisches Interesse: um ein Durchbrechen des Scheins der Normalität, um ein Absehen von Erfahrungen und Gewohnheiten […]“41.

4 Zentrale Begriffe der Systemtheorie nach Luhmann

Nachdem grundsätzliche Merkmale der Systemtheorie nach Luhmann angesprochen wurden, geht es nachfolgend darum, einen Auszug des Begriffsapparats vorzustellen. Die Auswahl der vorgestellten Begriffe orientiert sich an ihrer Relevanz für die vorliegende Thematik. Darüber hinaus werden weitere Begriffe eingeführt, die für das Verständnis angrenzender Themenbereiche notwendig erscheinen. Die Quellenrecherche stützt sich auf die für diese Arbeit besonders relevanten Kernwerke „Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie“ (1984), „Die Gesellschaft der Gesellschaft“ (1997) und „Die Realität der Massenmedien“ (2009). Die Reihenfolge, nach welcher die Begriffe vorgestellt werden, folgt keinem vorgegebenen Schema. Die Nichtlinearität der Theorie-Architektur rechtfertigt diese Flexibilität.

4.1 System/Umwelt

Einleitend soll geklärt werden, was mit dem Begriff System gemeint ist. Systeme sind keine Dinge, sondern sie sind, was sie tun: Sie operieren. Eine Operation kommt einem Prozess nahe, der je nach Systemtyp in einem bestimmten Modus ereignishaft ist und gleichzeitig immerwährend fortgesetzt wird. Endet eine solche Operationskette, hört das System auf zu existieren. Man unterscheidet dem Operationsmodus nach folgende Systemtypen:42

Leben Organismen, Biologische Systeme

Bewusstseinsprozesse wie Wahrnehmen oder Denken Psychische Systeme

Kommunikation Soziale Systeme

Unabhängig vom Systemtyp werden anhand von Operationen zwei existentielle Aufgaben eines jeden Systems bewältigt: Zum einen markiert ein System mittels Operationen seine Grenze – die System/Umwelt-Differenz. Zum anderen erzeugt und erhält es sich mittels rekursiver Anschlussoperationen aus sich selbst heraus, wobei die Rekursivität den Rückbezug auf einen vorangegangen Systemzustand sichert. Es ist dann genauer die Rede von autopoietischen Systemen. Folglich ist festzuhalten, dass ein System seinem und nur seinem Systemtyp nach operiert und dies immer die konstitutive Aktivitätsart des Systems ist. Das bedeutet: Ohne System keine Operation und ohne Operation kein System oder anders gesagt: „das, was nicht über System/Umwelt-Differenz und Autopoiesis verfügt, ist kein System“43.

Alles, was nicht im System selbst stattfindet, also nicht zur Operation des Systems gehört, wird als Umwelt des Systems begriffen. Dies ergibt sich aus der Operation des Systems selbst, denn ihr ist mitgegeben, die System/Umwelt-Differenz zu produzieren, ohne die das System, wie oben gezeigt, nicht existieren würde. Da diese Differenz von der Operation des Systems selbst produziert wird, muss es sich immer um eine systemgemachte und damit systemrelative Umwelt handeln. Dabei bezeichnet Umwelt nur den Teil der Welt (Welt schlicht verstanden als alles was möglich ist), der eine wie auch immer vorhandene Relevanz für das System bereithält. Die Umwelt eines Systems ist demnach die Konkretisierung des Möglichen für ein bestimmtes System.44 Z.B. dreht sich ein Gedankengang als Bewusstseinsoperation eines psychischen Systems um soziale Online-Netzwerke. Der Möglichkeitsbereich, in dem diese Bewusstseinsoperation abläuft, ist Social Media, nicht aber E-Commerce. E-Commerce gehört zwar zur Welt, aber hier nicht in den zugriffsfähigen, also relevanten Bereich und gehört folglich nicht in die Umwelt des Systems.

Jedes System hat seine vollkommen eigene Umwelt, in welcher andere Systeme vorkommen, die alle ebenfalls ihren eigenen Schnitt in der Welt markieren. Die Ziehung einer System/Umwelt-Differenz ist aber immer autonom und damit systemrelativ. Die Abgrenzung entzieht sich der direkten Bestimmung und Mitwirkung anderer Systeme, was als operative Geschlossenheit des Systems bezeichnet wird. Wenn ein System auch operativ geschlossen ist, ist es jedoch zugleich umweltoffen, da es ansonsten nicht auf Irritationen seiner Umwelt reagieren könnte. Das aber ist permanent der Fall: Es reagiert bspw. auf die sich ständig ändernden Bedingungen seiner Umwelt durch andere Systeme. Die Vorstellung von System/Umwelt-Differenz ist somit nicht statisch zu verstehen, sondern, wie oben skizziert, als ein kontinuierlich oszillierender Prozess: Als ein Prozess, der ereignishaft ist und gleichzeitig immerwährend fortgesetzt wird. Es ist damit auch klar, dass die Unterscheidung zwischen System und Umwelt keineswegs bedeutet, dass Umwelt eine geringere Relevanz als das System hätte oder entbehrlich wäre. Vielmehr hat eine Differenz immer zwei Seiten: Die Innenseite heißt System und die Außenseite Umwelt. Die eine Seite kommt folglich ohne die andere gar nicht aus. System ist ohne Umwelt nicht möglich.45

4.2 Komplexität

Im Kontext der System/Umwelt-Differenz ist eines der zentralen Motive der Begriff der Komplexität. Die Klärung des Begriffs Komplexität geht wiederum einher mit der Einführung der Bezeichnung Elemente. Elemente sind Bestandteile eines Systems und dessen Umwelt. Sie sind ebenso wie Systeme nicht als Dinge im Sinne physischer Faktizität zu verstehen. Da Systeme, wie oben gezeigt, sind, was sie tun, handelt es sich bei einem Systemelement um Operationserzeugnisse, bspw. um einen Gedanken als Bewusstseinsprozess eines psychischen Systems. Führt man sich die Vorstellung eines Gedankens vor Augen, fällt die Schwierigkeit auf, dass sich dieser keiner deutlich erkennbaren Einheit zurechnen lässt. Es lässt sich ebenso wenig feststellen, wo ein Gedanke beginnt und wo er endet, und es ist zudem fraglich, woran er anschließen soll, wenn es doch unzählige Gedanken sind, die einem einfallen könnten, aber nur sehr wenige, die in einer gedanklichen Sequenz sinnvoll erscheinen. Der ausschlaggebende Punkt ist hier die Elementanzahl (Bewusstseinsprozesse in psychischen und Kommunikationen in sozialen Systemen), die sehr bald ins Unermessliche steigt. Hieraus lässt sich eine allgemein formulierte Definition von Komplexität ableiten: Komplexität ist gegeben, wenn die Anzahl Elemente an einen Punkt gelangt, an welchem nicht jedes Element jederzeit mit jedem anderen Element verknüpft sein kann. Es muss hinzugefügt werden, dass die Umwelt als konkreter Möglichkeitshorizont eines Systems immer komplexer ist als das System selbst. Es ergibt sich somit immer ein Komplexitätsgefälle von der Umwelt Richtung System. Das, was ein System mittels Operationen also ermöglicht, ist Reduktion von Komplexität durch den Aufbau systeminterner Komplexität.46 Das System schafft gewissermaßen Ordnung mittels Selektionen47.48

Die hier skizzierte Definition von Komplexität lässt sich auf diverse konkrete Bereiche des Alltags projizieren, wobei kaum Sachverhalte vorstellbar sind, die nicht über einen gewissen Komplexitätsgrad verfügen. Da man es also immer mit komplexen Sachverhalten zu tun hat, stehen im Fokus des Interesses der Systemtheorie komplexe Systeme. Im Kontext der vorliegenden Arbeit besteht zudem kein Zweifel, dass im Bereich sozialer Online-Netzwerke in vielerlei Hinsicht Komplexität gegeben ist: Aus makroskopischer Sicht ist ein soziales Online-Netzwerk als Ganzes bestehend aus Profilen (Profil verstanden als Element)49 zweifelsfrei komplex, denn nicht jedes Profil ist jederzeit mit jedem anderen fest verknüpft. Aus der Nähe betrachtet ist das Senden einer bestimmten Information als Post (Element hier im Sinne einer Einzelkommunikation) eine Selektion unzähliger Möglichkeiten. Auf einen inhaltlich festgelegten Post kann wiederum nur in sehr begrenztem Umfang sinnhaft angeschlossen werden. Die Einschränkungen reduzieren folglich Komplexität.

4.3 Struktur

Es wurde bereits angedeutet, dass ein System erst fortbestehen kann, wenn es über anschlussfähige Operationen verfügt. Um Anschlussfähigkeit zu realisieren, bedarf es systeminterner Struktur.

Elemente weisen infolge der Ereignishaftigkeit von Operationen eine entscheidende Eigenschaft auf: Elemente haben keine Dauer. Ein Element markiert zwar eine Differenz zwischen vorher und nachher, es selbst hat aber keinen Zustand von Dauer. Hierin liegt der ereignishafte Charakter von Systemen. Es ist das Ereignis von Entstehung und Zerfall eines Elements, was im gleichen Moment stattfindet. Vorstellbar ist es am Bild einer Bewegung: Sie steht zu keinem Zeitpunkt still. Jeder Moment einer Bewegungsabfolge wird schon in der Entstehung von einem nächsten Moment abgelöst. Jeder Bewegungsmoment erfolgt im Rückgriff auf einen anderen Bewegungszustand, und nach jedem Moment ist etwas anderes möglich als es vorher der Fall war. Aus dem Umstand, dass Elemente schon in ihrer Entstehung wieder zerfallen, ergibt sich das Dilemma, dass die Anschlussfähigkeit der Elemente samt Relationen verloren geht. Wo ließe sich anknüpfen, wenn der Anknüpfungspunkt im Moment seiner Entstehung schon wieder zerfallen ist? Es muss eine zusätzliche Bedingung geschaffen werden, die die Anschlussfähigkeit sichert, und das ist Struktur.50

Operationen spielen sich immer in der Gegenwart mittels Rückgriff auf Vergangenes ab. Nur in der Gegenwart sind sie real. Die Frage, die hieran anschließt, lautet folglich: „Wie findet eine Operation eine passende nächste Operation? […] Wobei das eine schon vergangen, also nicht mehr real ist, das andere noch nicht real, nämlich Zukunft.51 Passende Operationen findet ein System anhand seiner eigens aggregierten systemrelativen Strukturen. Strukturen sind systemintern produzierte Kondensate von Wiederholungen identischer Operationen in unterschiedlichen Zusammenhängen. Als Bewusstseinsoperation psychischer Systeme stellen Strukturen, vereinfacht ausgedrückt, das verfügbare Hintergrund-wissen dar, welches je nach Kontext abgerufen werden kann. Als Erwartungen, also mit Blick in die Zukunft, produzieren Strukturen Beständigkeit, auf die ein System seine Operationen aufbauen kann. Das Abrufen von Strukturen kommt dem situativen Pendeln zwischen Wissen und Vergessen gleich. Gleichsam ist es ein Pendeln zwischen Kontextfreiheit, also universeller Anwendbarkeit, und Kontextabhängigkeit oder „Kontextfitting“52. Hier ein Besipiel: Das Anschalten des Computers in der Erwartung, ein soziales Online-Netzwerke zu verwenden, ruft bis zu dem Moment des Einloggens die gleichen Strukturen ab, die auch dazu verwendet werden könnten, eine Suchmaschine zu bedienen. Das heißt, dass die Bewusstseinsoperationen zunächst hinsichtlich der Verwendung des Computers kontextunabhängig unter Bezugnahme auf das grundlegende Wissen über die Benutzung eines Computers ablaufen. Im Moment des Einloggens entsteht ein gewisses Kontextfitting unter Zuhilfenahme speziellerer Erinnerungen. Die Eingabe der persönlichen Daten erinnert wiederum an die Eingabe der persönlichen Daten am Bankautomat, und doch sind es vollkommen unterschiedliche Dinge. Die Erinnerungen an die spezielle Bedienung des Bankautomaten kann in diesem Moment ausgeblendet werden. Strukturen bieten folglich ein immenses Repertoire zur situativen Anpassung. Strukturen ermöglichen Selektionen innerhalb ganz bestimmter Grenzen um sich in der Welt bewegen zu können.53

4.4 Beobachtung

Bevor der Begriff Kommunikation in Kapitel 4.6 vertiefend aufgegriffen wird, soll in den nächsten Abschnitten geklärt werden, was unter den Begriffen Beobachtung sowie Selbst- und Fremdreferenz zu verstehen ist. Ohne die ihnen zugrundeliegenden Phänomene können Kommunikation und somit soziale Systeme nicht zustande kommen.

Der Vorgang des Beobachtens ist eine spezifische Operationsweise psychischer und sozialer Systeme54. Eine Beobachtungsoperation ist eine Einheit bestehend aus zwei Komponenten. Die erste Komponente ist eine aktiv betriebene binäre Unterscheidung eines Systems, wobei eine binäre Unterscheidung immer zwei Seiten produziert (s.o.). Die zweite Komponente der Beobachtung besteht in der Bezeichnung einer der beiden Seiten, die kraft Unterscheidung entstanden ist. Die Einheit der Beobachtung ist folglich die Unterscheidung und Bezeichnung von etwas. Was im Augenblick der Bezeichnung notgedrungen ausgeblendet wird, ist die andere Seite der Unterscheidung und darüber hinaus die Unterscheidung selbst. Hierzu ein Beispiel einer systeminternen Beobachtung der eigenen System/Umwelt-Differenz: Ein System beobachtet seine Umwelt anhand der Unterscheidung ‚Ich/Nicht-Ich‘ (System/Umwelt). Das System bezeichnet ‚Nicht-Ich‘ und beobachtet somit seine Umwelt, aber nicht sich selbst, das System. Ferner ist es dem System nicht möglich, die Unterscheidung einer der zwei Seiten, also entweder dem System oder der Umwelt zuzuschreiben. Die Unterscheidung wird daher ebenso ausgeblendet. D.h. ein System kann während des Beobachtens nicht die eigene Beobachtung beobachten oder anders gesagt: Während man etwas sieht, kann man sich selbst beim Sehen nicht zusehen. Dies ist der sogenannte blinde Fleck, der bei jeder Beobachtungsoperation entsteht. Nichtsdestoweniger bleibt es bei dem Umstand, dass die System/Umwelt-Differenz zwei Seiten einer Einheit und demzufolge desselben Phänomens markiert. Wenn diese Differenz beobachtet werden soll, muss dies anhand einer zweiten Unterscheidung geschehen.55

Um also einen blinden Fleck in den sichtbaren Bereich zu führen, ist die Benutzung einer zweiten Unterscheidung notwendig. Hieraus entsteht die Beobachtung der Beobachtung, die sogenannte Beobachtung zweiter Ordnung. Da die Beobachtung zweiter Ordnung dem gleichen wie oben dargestellten differenziellen Schema folgt, ist sie gleichzeitig eine Beobachtung erster Ordnung. Vorstellbar ist dies anhand eines Ebenenmodells bestehend aus drei Ebenen:

  1. Die erste Ebene ist die primäre Realität.
  2. Die zweite Ebene stellt die Beobachtung erster Ordnung dar und konstruiert eine sekundäre Realität, bspw. anhand der Unterscheidung und Bezeichnung ‚Information/Nicht-Information‘.
  3. Die Beobachtung zweiter Ordnung unterscheidet und bezeichnet ‚Beobachtung/ Nicht-Beobachtung‘. Zunächst wird folglich lediglich registriert, dass etwas unterschieden und bezeichnet wurde (Beobachtung erster Ordnung). Über die Beobachtung erster Ordnung legt sich die Beobachtung zweiter Ordnung: Es geht nun um eine Beobachtung, die neben dem Was erkennt, wie die Beobachtung erster Ordnung zustande gekommen ist. Die Beobachtung zweiter Ordnung erkennt, dass die Beobachtung erster Ordnung ‚Information/Nicht-Information‘ unterschieden und ‚Information‘ bezeichnet hat. Darüber hinaus erkennt die Beobachtung zweiter Ordnung, dass ‚Information‘ anhand der Unterscheidung ‚Neu/Alt‘ oder ‚Skandal/Nicht-Skandal‘ bezeichnet wurde und folglich wie es zur Bezeichnung ‚Information‘ gekommen ist.

An dieser Stelle soll der Aspekt wieder aufgegriffen werden, dass es sich bei beobachtenden Systemen sowohl um psychische als auch soziale Systeme handeln kann.56 Dass psychische Systeme beobachten können, mag vor dem Hintergrund des Operationsmodus der Wahrnehmung, also bspw. sehen, hören oder fühlen, auf der Hand liegen. Schwieriger verhält es sich mit der Vorstellung, warum Beobachtung in sozialen Systemen, also im Operationsmodus Kommunikation, möglich ist. Entscheidend ist hier die Definition ‚unterscheiden‘ und ‚bezeichnen‘, was deutlich wird, wenn während laufender Kommunikation die Frage mitschwingt, warum unterschieden wird, wie unterschieden wird. Dies geschieht vor allem, wenn Kommunikation über Kommunikation stattfindet: Eine Diskussion dreht sich z.B. um das Thema Internet, d.h. es geht um die Bezeichnung ‚Internet‘ entlang der Unterscheidung ‚Internet/Nicht-Internet‘. Dies wäre bereits die Beobachtung erster Ordnung im Operationsmodus Kommunikation. Nun wird thematisiert (bezeichnet), dass über das Thema Internet diskutiert wird. D.h. die Diskussion selbst wird zum Thema entlang einer anderen Unterscheidung als ‚Internet/Nicht-Internet‘, wie ‚wissenschaftlich/nicht-wissenschaftlich‘, ‚technisch/nicht-technisch‘ oder ‚soziologisch/nicht-soziologisch‘. Nun hat man es mit einer Beobachtung zweiter Ordnung zu tun, und es steht nicht mehr das Was sondern das Wie im Fokus der Kommunikation. Vereinfacht gesagt führt Kommunikation immer die Thematisierung (Bezeichnung) und das Thema (Unterscheidung) mit. Kommunikation ist folglich immer eng an Beobachtungsoperationen gekoppelt und kommt ohne sie nicht aus.57

Im Interesse der Beobachtung erster Ordnung steht, was beobachtet wird. Bei der Beobachtung zweiter Ordnung geht es darum, wie die Beobachtung erster Ordnung etwas beobachtet. Im Unterschied zur Beobachtung erster Ordnung muss die Beobachtung zweiter Ordnung dabei mehrere Unterscheidungen gleichzeitig kontrollieren. Da die Beobachtung zweiter und höherer Ordnungen ebenfalls nach dem Prinzip der Einheit von Unterscheidungen und Bezeichnung fungiert, produziert sie immer auch ihren eigenen System-relativen blinden Fleck. Aus dem Wechsel der Beobachtungsordnungen folgt also lediglich eine Verschiebung, aber niemals die Aufhebung des blinden Flecks. Auf diese Weise umkreisen sich beobachtende Systeme, und es ist leicht nachvollziehbar, dass hierbei ein undurchsichtiges, ständig wachsendes Geflecht von Beobachtungsoperationen entsteht. Unter der Berücksichtigung von Komplexität wird dann auch klar, dass Systeme gar nicht anders können als selbst Komplexität zu reduzieren, um sie im gleichen Moment wieder zu steigern.58 Letztlich liegt im Begriff der Beobachtung wie am oben dargestellten Dreiebenen-Modell eines der konstitutiven Argumente für die eingangs formulierte Denkhaltung des operativen Konstruktivismus: Jede Schilderung der Realität ist nicht die Realität selbst und auch nicht ein Teil der Realität, sondern immer eine systemkonstruierte operative Wirklichkeit.59

Für soziale Online-Netzwerke ist der Begriff Beobachtung von erheblicher Bedeutung, denn es ist evident, dass bspw. der Nachrichtenfeed sozialer Online-Netzwerke kaum eine Wahl lässt als eben Beobachtung zunächst als Bewusstseinsprozess zu vollziehen, also zu unterscheiden und zu bezeichnen.

4.5 Selbstreferenzialität

Während der Erörterung des Begriffs der Beobachtung wurde auf die System/Umwelt-Differenz zurückgegriffen, denn sie ist eine entscheidende Triebfeder bei der Bildung von Systemen. Dies tritt bei der Einführung des Begriffs Selbstreferenz, welcher auf dem Mechanismus der Beobachtung aufbaut, nochmals deutlich zutage.

Wie in Kapitel 4.1 geschildert, produziert das System die Grenze zu seiner Umwelt mittels seiner Operationen. Für einen User im Sinne eines psychischen Systems sind diese etwa Gedanken zu einem bestimmten Post in einem sozialen Online-Netzwerk als Teil seiner Umwelt. Bei dieser Operation handelt es sich um eine Beobachtung (s.o.), denn eine Gedankenabfolge unterscheidet entlang der Differenz ‚Post/Nicht-Post‘ und bezeichnet ‚Post‘. Weil aber das System Informationen ausschließlich systemintern verarbeiten kann, muss es eine Lösung dafür geben, das Beobachtungsergebnis in sich selbst hinein zu kopieren. Der Vorgang des Kopierens wird als Re-Entry bezeichnet. Dieser Vorgang hat zur Folge, dass das psychische System gar nicht anders kann als den Post in Bezug zu etwas zu setzen – auch in Bezug zu sich selbst. Genau dieses „in Bezug zu etwas“ meint Referenz. In der Selbstreferenz liegt folglich die Selbstbezüglichkeit der Beobachtung des Systems. Im Falle von Gedanken heißt dies, dass das System darauf Bezug nimmt, wie es denkt, also sich selbst einbezieht. Die Fremdreferenz hingegen nimmt Bezug darauf, was gedacht wird. Vereinfacht ausgedrückt: Das, was das psychische System anhand des Posts erfährt, also letztlich was und wie es über den Post denkt, beruht nun maßgeblich darauf, welche Bedeutung das System dem Post zurechnet. Die Kernfrage zur Sichtung der Referenz lautet: Warum postet jemand dieses so – in diesem Stil, mit dieser Konnotation, mit dieser Wortwahl?60 Die Beantwortung dieser Frage als Gedankenabfolge und mit dem Ergebnis einer bestimmten Vorstellung kann das System nur selbst liefern, weshalb bei beobachtenden Systemen auch von selbstreferenziellen Systemen die Rede ist und umgekehrt: Nur selbstreferenzielle Systeme sind in der Lage zu beobachten.

Um die Theorie weiterhin nah entlang der Thematik sozialer Online-Netzwerke zu führen, lassen sich aus dem bisher Gesagten und spätestens nach der Einführung des Sachverhalts der Selbstreferenzialität Konsequenzen bei der Einschätzung sozialer Online-Netzwerke aus systemtheoretischer Perspektive ableiten. Dies soll hier Erwähnung finden, um in Kapitel 5 weiter ausgeführt zu werden. Soziale Online-Netzwerke weisen zwar Ähnlichkeiten zu Systemen auf, so z.B. hinsichtlich gegebener Komplexität, wie in Kapitel 4.2 dargestellt, sie sind aber nicht als Systeme zu qualifizieren. Begrenztheit, Homogenität und strukturgebende Bedingung, projiziert auf das makroskopische Bild eines sozialen Online-Netzwerks als distinktes und in systemtheoretischem Sinne sicherlich beobachtbares Phänomen, mögen dazu verleiten. Nachdem aber das Wirken von Systemen als Operation mitsamt dem Mechanismus der Selbstreferenzialität umrissen ist, wird nochmals deutlich, dass Systeme ihre Distinktion aus sich selbst heraus, also autopoietisch kreieren. Begrenztheit, Homogenität und strukturgebende Bedingung sozialer Online-Netzwerke sind an anderer Stelle angefertigt worden und nicht aus sich selbst heraus erwachsen.

4.6 Kommunikation

An dieser Stelle sei der Begriff Kommunikation als Operationsmodus sozialer Systeme eingeführt. Es folgt eine grobe Schilderung grundlegender Merkmale sozialer Systeme. Darauffolgend widmet sich dieses Kapitel hauptsächlich der systemtheoretisch begrifflichen Fassung von Kommunikation. Abschließend geht es um die Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation und damit einhergehend um die Notwendigkeit von Medien.

4.6.1 Grundlagen sozialer Systeme

Die Herstellung und Erhaltung sozialer Systeme beruht ausschließlich auf Kommunikation. Anders gesagt: Kommunikation ist die konstitutive und genuine Operationsweise sozialer Systeme. Für das Verständnis sozialer Systeme gilt, dass jeder soziale Kontakt, sei er noch so flüchtig oder durch technische Vorrichtungen wie Bücher oder Computer temporär oder lokal unterbrochen, Kommunikation ist. So bald Kommunikation ins Spiel kommt, hat man es mit sozialen Systemen zu tun. Kommunikation und soziale Systeme sind nahezu synonyme Begriffe.61

Neben dem Phänomen der Kommunikation selbst wird im Zuge der Gegenüberstellung sozialer Online-Netzwerke in Kapitel 5 auch zu diskutieren sein, inwiefern die drei Arten sozialer Systeme von Bedeutung sind. Daher werden hier die drei Arten sozialer Systeme, die sich Luhmann zufolge unterscheiden lassen, nämlich Gesellschaften, Organisationen und Interaktionen, vorgestellt: Gesellschaft wird als das umfassendste aller sozialen Systeme verstanden, das alle Kommunikation in sich einschließt. Gesellschaft besteht demzufolge aus nichts anderem als Kommunikation. Im Zuge der Entwicklung moderner Gesellschaften haben sich zudem gesellschaftliche Teil- oder Subsysteme ausdifferenziert, die in sich Homogenität aufweisen, um damit eine bestimmte gesellschaftliche Funktion zu erfüllen. Daher ist auch die Rede von Funktionssystemen, wozu Luhmann bspw. Massenmedien, Politik, Wirtschaft, Kunst oder Wissenschaft zählt. Zu Organisationen gehören z.B. Unternehmen, Parteien oder Universitäten. Unter Interaktion wird jeder soziale Kontakt unter Anwesenden verstanden, sofern sich direkte Kommunikation unter den Anwesenden realisieren lässt.62

Ein weiteres grundlegendes Merkmal im Feld sozialer Systeme fand bereits in Kapitel 3.2 Erwähnung und läuft darauf hinaus, dass es systemtheoretisch einer strikten Trennung zwischen Sachverhalt und Voraussetzungen bedarf. Besonders deutlich wird die Relevanz der Voraussetzungen nochmals am Begriff Kommunikation, denn sie kann ohne eine Verkettung von Voraussetzungen, auf die sie zwingend angewiesen ist, gar nicht zustande kommen:63 Kommunikation kann operativ nicht wahrnehmen, fühlen oder denken, womit ausgeschlossen ist, dass ein soziales System, was eben aus nichts anderem als Kommunikation besteht, direkten Zugriff auf Informationen seiner Umwelt hat. Um Information zu generieren, bedarf es Bewusstseinsoperationen psychischer Systeme, die ihrerseits auf Gehirne, das Gehirn auf einen Körper, Körper auf Leben, Leben auf Luft, Wasser, Nahrung usw. angewiesen ist. Dies alles sind Voraussetzungen für Kommunikation, ohne die Kommunikation folglich nicht zustande kommen könnte. Körper, Gehirne oder psychische Systeme sind hinsichtlich einer Mitteilungsbestrebung wiederum auf die operativ geschlossene Einheit von Kommunikation angewiesen, denn sie können nicht ineinander hineinleben, hineindenken, hineinwahrnehmen oder -fühlen. Gleichwohl kommt in Kommunikation kein Leben in Form von Zellen samt ihrer Lebensbedingungen, kein Gedanke oder Gefühl in Form eines Nervenimpulses mitsamt all seinen Voraussetzungen vor. Was also kommuniziert, ist einzig und allein die Kommunikation selbst. Psychische und soziale Systeme sind folglich wechselseitig voneinander abhängig, was unter den Begriff der Interpenetration64 fällt. Der Grund, warum diese wechselseitige Abhängigkeit nahezu reibungslos von statten geht und dadurch den Anschein gewinnt, dass jemand oder etwas kommuniziert, ist zum einen, dass Kommunikation aus der Beobachtung heraus in verschiedener Hinsicht – z.B. zeitlich, sozial oder lokal – zuordnungsfähig ist. Kommunikation ist kraft der Wahrnehmung psychischer Systeme als Handlungen von Körpern wahrnehmbar. Die Reibungslosigkeit von Kommunikation wird zum anderen dadurch gesichert, dass sich psychische und soziale Systeme immer der gleichen fundamentalen Medien und Formen, nämlich Sinn und Sprache, bedienen.65

Ein weiterer grundsätzlicher Aspekt der systemtheoretischen Auffassung von Kommunikation nach Luhmann liegt in der Ablehnung der allgemein anerkannten Vorstellung, dass es sich bei Kommunikation um die Übertragung von Mitteilungswerten handelt. Zum einen suggeriert ein Übertragungsmodell einen subtraktiv verdinglichten Vorgang, wo Kommunikation einen Informationswert von A nach B transportiert. Vergleicht man dieses Bild mit der Übertragung von Dingen, bspw. mit dem Handeln eines Paketboten, dürfte A nach abgeschlossener Übertragung nicht mehr über den Informationswert verfügen. Zum anderen liegt der Schwerpunkt der Kommunikationsleistung überwiegend bei der Sendeseite. Diese Vorstellung kommt nicht in betracht, da sich die Sendeseite infolge von Kommunikation im Sinne einer Dingmetaphorik offenkundig keiner Information entledigt und die Empfängerseite mitnichten über die gleiche Information verfügt wie die Sendeseite. Um exakt die gleiche Information zu erzeugen, müsste die Sendeseite über den genauen Wissensstand der Empfangsseite verfügen, um einen Klon des eigenen Wissenstands auf der Empfangsseite sicherzustellen und um schließlich die Voraussetzung dafür zu schaffen exakt die selbe Information wie die eigene zu realisieren. Stattdessen scheint es angemessener davon auszugehen, dass es sich bei Kommunikation um einen multiplikativen Vorgang handelt, der Redundanz erzeugt, d.h., dass A B etwas mitteilt, wodurch C eine Information sowohl bei A als auch B in Erfahrung bringen kann.66

4.6.2 Kommunikation – drei Komponenten plus eins

Das Übertragungsmodell wird nach Luhmann durch Selektionsvorgänge abgelöst, was Gegenstand dieses Abschnitts ist.67 Kommunikation ist demzufolge die Synthese der Komponenten Information, Mitteilung und Verstehen. Information und Mitteilung sind dabei Leistungen der Sendeseite – auch Alter bezeichnet. Verstehen ist die Leistung der Empfangsseite – auch Ego genannt. Jede Komponente ist für sich genommen als Selektion zu begreifen, und der Schwerpunkt für das Zustandekommen von Kommunikation liegt bei der Selektion durch Ego, also im Akt des Verstehens. Die dreiteilige Dekomposition von Kommunikation ist dabei nur zur analytischen Handhabbarkeit gestattet. Als operatives Phänomen handelt es sich bei Kommunikation um eine operativ geschlossene Einheit, die immer ausschließlich im Nachgriff (Verstehen) auf das zuvor Gesagte zustande kommt. Erst wenn verstanden wurde, dass etwas gesagt wurde, handelt es sich um Kommunikation. D.h. nicht der Akt des Mitteilens, sondern der Akt des Verstehens teilt Kommunikation erst nachträglich ihre Bedeutung als Kommunikation zu. Kommunikation ist damit ein unteilbares Phänomen und insofern die kleinstmögliche Einheit oder auch das Letztelement sozialer Systeme.68 Zur Verdeutlichung lässt sich der Vorgang einer Synthese am Bild eines Instruments veranschaulichen: Wenn die Seite einer Gitarre zum Schwingen gebracht wird, ertönt der Klang des Instruments bestehend aus Seiten, Korpus, Hals und Steg. Die einzelnen Komponenten beeinflussen den Klang, aber keiner dieser Teile wäre isoliert ohne die anderen als Klang einer Gitarre wahrnehmbar.

Es folgen nun vertiefende Ausführungen zu den drei Kommunikationskomponenten Information, Mitteilung und Verstehen.

Information

Die Informationsselektion spielt sich als Bewusstseinsprozess eines psychischen Systems ab. Alter (Senderin/ Sender) kann dabei eine Person, aber auch eine Organisation wie z.B. ein Zeitungsverlag, sein, der wiederum auf Informationsselektionen psychischer Systeme bspw. seiner Journalistinnen und Journalisten zugreift.69 Für ein psychisches System ist alles, was in der Umwelt stattfindet, zunächst Störung. Information kommt erst dann zustande, wenn eine Irritation als Ereignis auftritt, die das psychische System als Unterschied von allen anderen Störungen unterscheiden kann. Eine Unterscheidung kann das System wiederum nur dann vornehmen, wenn das Ereignis an die Strukturen (s.o.), also an bereits vorhandenen Selektionen des Systems, anknüpft. Es geht um eine Unterscheidung, die einen Unterschied ausmacht oder weniger abstrakt formuliert: Ein Ereignis wird erst zur Information, wenn ein System systemintern etwas mit diesem Ereignis anfangen und es verarbeiten kann. Gleichzeitig muss Information über einen gewissen Neuigkeitswert verfügen, da sie ansonsten keinen Unterschied zum aktuellen Systemzustand darstellen würde. Ist dies jedoch der Fall, kommt es zur Aktualisierung einer Erwartungshaltung und folglich zur Restrukturierung des Systems. Sofern es sich um eine Wiederholung einer Informationsselektion handelt, besteht der Neuigkeitswert nur noch darin, dass Alter (Senderin/ Sender) die Informationsselektion für wiederholenswert erachtet.70

Mitteilung

Alter (Senderin/ Sender) hat eine bestimmte Information aus einer Vielzahl möglicher Informationen ausgewählt.71 Die Entscheidung für eine Information ist also gleichzeitig eine Entscheidung gegen viele andere und bezogen auf das soziale System kommt Alter (Senderin/ Sender) neben der Frage, was mitzuteilen ist, nun die Aufgabe zu, zu gestalten, wie etwas mitzuteilen ist. Die Entscheidung für eine bestimmte Form der Mitteilung ist seinerseits eine Entscheidung gegen eine Vielzahl möglicher anderer Mitteilungsformen. Alter (Senderin/ Sender) entscheidet sich bspw. für non-verbale, verbale, schriftliche oder elektronische Mitteilungsformen, meist beruhend auf Sprache.72

Verstehen

Im Verstehen liegt der entscheidende Moment dafür, ob Kommunikation zustande kommt oder nicht. Beim Verstehen handelt es sich ebenfalls um eine Unterscheidung, die allerdings die Selektion der Information und Mitteilung in sich aufnimmt und Ego (Empfängerin/ Empfänger) dazu veranlasst anzunehmen, dass Alter (Senderin/ Sender) eine Informations-selektion vorgenommen und es zu einer Mitteilungsselektionen gebracht hat. Dabei ist es zunächst unerheblich, ob Ego (Empfängerin/ Empfänger) Alter (Senderin/ Sender) inhaltlich verstanden oder missverstanden hat. In der Abfolge kommt Kommunikation folglich immer nur rückwärts gerichtet zustande, d.h. es kann nicht nur ein bisschen oder unvollständig kommuniziert worden sein. Entweder Kommunikation ist durch Verstehen zustande gekommen oder nicht. Dieses Merkmal verdeutlicht nochmals den Synthesecharakter von Kommunikation im Unterschied zur Aufsummierung von Handlungen.73

Das geschilderte Kommunikationskonzept rückt Kommunikation in ein anderes Licht als dies allgemein der Fall ist, wo Kommunikation, ausgehend von der Sendeseite, als Verständigungs- und Konsensmotor angesehen wird. Der Systemtheorie zufolge birgt Kommunikation jedoch einen erheblichen Unsicherheitsfaktor. Im Verstehen durch Ego ist nämlich inbegriffen, dass 1. Alter über weit mehr Informationen verfügt, von denen Alter nur bestimmte preisgegeben hat und 2. Alter eine bestimmte Form der Mitteilung gewählt hat, wobei Alter dies auch ganz anders hätte tun können. Andersherum weiß Alter von dieser Unsicherheit und führt diesen Faktor in die Selektion der Information und Mitteilung ein. Dies wiederum hat zur Folge, dass Kommunikation nie aufrichtig sein kann, denn sie ist eben immer nur eine Entscheidung für eine Information gegen eine andere, eine Entscheidung für eine bestimmte Form der Mitteilung gegen eine andere sowie das Mitführen dieser Kenntnis im Verstehen.74

Anschlusskommunikation

Mit dem Akt des Verstehens schließt sich eine Einheit des operativen Zirkels der Kommunikation. Entscheidend für den Fortgang des Geschehens ist die operative Anschlussfähigkeit. „Jede Kommunikation setzt andere Operationen gleichen Typs voraus, auf die sie reagieren und die sie stimulieren kann. Ohne rekursive Bezugnahme dieser Art fände sie überhaupt keinen Anlaß, sich zu ereignen.“75 Kommunikation kann folglich nur aus Kommunikation entstanden sein und in Kommunikation weiterlaufen. Insofern ist Kommunikation ein evolutionär unendliches Phänomen. Operativer Ausgangspunkt liegt dabei im Moment des Verstehens, denn hier wird ein Systemzustand erreicht, an dem es keinen Wendepunkt mehr gibt. Entweder es folgt Anschlusskommunikation oder das soziale System hört auf zu existieren. Anschlusskommunikation kommt zustande, weil die Zustandsänderung des psychischen Systems auf Seiten von Ego und damit zwangsläufig auch des sozialen Systems, dem Alter und Ego angehören, die Informationsselektion, also die anknüpfungsfähige Irritation gemäß der ersten Komponente der Kommunikation bei Ego ihren Impuls erfährt.76 Zusammenfassend hierzu Luhmann: „Begreift man Kommunikation als Synthese dreier Selektionen, als Einheit aus Information, Mitteilung und Verstehen, so ist die Kommunikation realisiert, wenn und soweit das Verstehen zustande kommt. Alles weitere geschieht ‚außerhalb‘ der Einheit einer elementaren Kommunikation und setzt sie voraus. Das gilt besonders für eine vierte Art von Selektion: für die Annahme bzw. Ablehnung der mitgeteilten Sinnreduktion.“77 Neben den vorangegangenen Selektionen Information, Mitteilung und Verstehen findet in der vierten Selektion am Übergang der Ausgangskommunikation (der ebenfalls andere Kommunikationseinheiten vorausgegangen sind) zur Anschlusskommunikation eine Transformation statt, die die sinnhafte Annahme oder Ablehnung einer Mitteilung produziert. In weiteren Kommunikationen geht es nun schließlich um Sinnvorschläge, Inhalte, Behauptungen, Bewertungen usw., die sich bejahen oder verneinen, verstehen oder missverstehen lassen, die Konsens oder Dissens herstellen können. Dabei ist unerheblich, wem diese Mitteilungen entstammen, d.h. es handelt sich um Mitteilungen von Interaktionen unter Anwesenden bis hin zu Mitteilungen unter der Verwendung von Verbreitungsmedien.78

Für soziale Online-Netzwerke zeichnet sich ab, dass sie einen erheblichen Teil zur Realisierung von Kommunikation im systemtheoretischen Sinne beitragen. Es ist nicht zu übersehen, dass soziale Online-Netzwerke dazu anregen, mittels Beobachtung die Komponente des Verstehens und mit ihr die Informationsselektion in Gang zu setzen. Zudem bieten diverse Möglichkeiten der Mitteilung die Gelegenheit den Kreis der Kommunikationssynthese zu schließen.79

4.6.3 Kommunikation ist unwahrscheinlich

Nachfolgend lassen sich die bis hierher skizzierten Tatbestände der vorangegangen Abschnitte zur System/Umwelt, Beobachtung, Komplexität, Struktur und Selbstreferenzialität zusammenführen. Hieraus lässt sich zum einen die gesellschaftliche Stellung von Kommunikation fixieren und auf diesem Wege eine wesentliche Feststellung zur Bedeutung sozialer Online-Netzwerke ableiten. Zum anderen wird das Merkmal der Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation aufgegriffen und damit der Übergang zum Begriffspaar Medium/Form markiert.

In Kapitel 4.1 wurde geschildert, dass Systeme ihre eigenen Grenzen mittels ihrer Operationen ziehen und dabei umweltoffen aber operativ geschlossen zugleich sind. Ein soziales System vollzieht dies wie oben dargestellt anhand des Operationsmodus Kommunikation. An dieser Vorstellung wird im Folgenden festgehalten. Etwas abstrakter ausgedrückt ist die Informationsselektion für das soziale System die umweltzugewandte Seite seiner Grenze (Fremdreferenz), anhand welcher es sich aus der Umwelt irritieren lässt. Die Mitteilungsselektion ist die systemzugewandte Seite der Grenze (Selbstreferenz) und stellt die Selektion dar, in der sich das System auf sich selbst oder, anders formuliert, auf das eigene Wissen bezieht (Struktur und Komplexitätsreduktion)80. Zur Orientierung der Vorstellung dient hier wieder das Bild der Thematisierung eines Themas. Die Thematisierung, also der Vorgang oder die kommunikative Eigenhandlung, stellt die systemzugewandte Mitteilung dar. Das Thema hingegen entspricht einer Information, die wie oben aufgezeigt auf die Umwelt bezogen wird, sofern das System imstande ist sie als solches zu verarbeiten. Mittels der dritten Selektion vollzieht das System die Synthese beider Selektionen. Wichtig ist nun, dass das System zugleich den Vollzug dieser Synthese registriert oder, um beim Bild der Thematisierung zu bleiben, dass es versteht, dass es ein Thema thematisiert. Verstehen muss den Mechanismus der Beobachtung (Unterscheiden und Bezeichnen) implizieren. Über die Operation der System/Umwelt-Differenzierung legt sich folglich Beobachtung als zweite Ebene der Operation, denn ohne Beobachtung wäre das System außerstande etwas zu registrieren.81 Und weil das soziale System einen Unterschied zwischen Informationsselektion und Mitteilungsselektion macht – letztlich also ‚Thema/Nicht-Thema‘, ‚System/Nicht-System‘ oder ‚Wir/Nicht-Wir‘ unterscheidet – tut es dies entlang seiner Selbstreferenzialität bzw. der Differenz Selbstreferenz/Fremdreferenz.82 Da soziale Systeme kommunizieren und gleichzeitig beobachten, dass sie kommunizieren, führen sie dies immer in die Kommunikation mit hinein: „Jede Kommunikation setzt sich selbst der Rückfrage, der Bezweifelung, der Annahme oder Ablehnung aus und antizipiert das. Jede Kommunikation!“83 Kommunikation ist damit immer auch Kommunikation über Kommunikation, und da Gesellschaft alle Kommunikation in sich einschließt, ist gesellschaftliche Kommunikation immer auch Selbstbeobachtung der Gesellschaft. Für die vorliegende Thematik kommt hier ein entscheidender Faktor hinzu: Wenn von der Selbstbeobachtung Texte angefertigt werden, handelt es sich um Selbstbeschreibungen der Gesellschaft.84

Vor diesem Hintergrund tragen soziale Online-Netzwerke nicht nur zur Realisierung von Kommunikation, sondern zumindest teilweise auch zur Selbstbeschreibung der Gesellschaft bei, da ein erheblicher Teil der Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken in Textform erscheint. Besonders hervorzuheben ist an dieser Feststellung, dass Selbstbeschreibungen elementare Funktionsbereiche, vor allem der Massenmedien und der Gesellschaftswissenschaften, darstellen.85

Nachfolgend wird auf das eingangs angesprochene Merkmal der Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation näher eingegangen. Es ist eine recht radikale und ungewohnte Beschreibung von Kommunikation.

1. Es ist unwahrscheinlich, dass sich Alter und Ego verständigen können. Kraft Trennung des Bewusstseins verfügen beide zunächst nur über das eigene Wahrnehmungsfeld und ihre eigenen Gedächtnisse. Sie erscheinen sich gegenseitig als sogenannte Black Box. Es kann nicht als selbstverständlich angesehen werden, dass sie sich überhaupt verständigen können.86

2. Es ist unwahrscheinlich, dass Kommunikation unverändert mehr Personen erreicht als in einer Situation unter Anwesenden anwesend sind. Es ist das ‚Problem der räumlichen und zeitlichen Extension‘:87 „Das Interaktionssystem der jeweils Anwesenden garantiert in praktisch ausreichendem Maße Aufmerksamkeit für Kommunikation. Über die Grenzen des Interaktionssystems hinaus können die hier geltenden Regeln jedoch nicht erzwungen werden. Selbst wenn die Kommunikation transportable und zeitbeständige Sinnträger findet, wird es jenseits von Interaktionsgrenzen unwahrscheinlich, daß sie überhaupt Aufmerksamkeit findet. Anderswo haben Leute etwas anderes zu tun.“88

3. Es ist unwahrscheinlich, dass Kommunikation Erfolg hat. Selbst wenn Kommunikation verstanden wurde, ist nicht gesagt, dass der Offerte Folge geleistet wird. „Kommunikativer Erfolg ist: gelungene Kopplung von Selektionen“89, und niemand weiß im Vorhinein, ob die Kopplung dieser Selektionen gelingt, d.h. ob sie einen passenden aus einer Vielzahl möglicher Anknüpfungspunkte findet.90

Die drei Faktoren bringen eine gewisse Aussichtslosigkeit mit sich. Sie machen Kommunikation unwahrscheinlich, weil sie Barrieren sind, die dazu anregen Kommunikation zu unterlassen. Das Kernproblem liegt in der Fülle der Selektionsmöglichkeiten und dem Risiko, dass die Selektionen auf Alters Seite (Senderin/ Sender) nicht in den Bereich des Möglichen bei Ego (Empfängerin/ Empfänger) passen. Abhilfe schaffen Medien. Sie wirken als Transformatoren von Unwahrscheinlichem in Wahrscheinliches.91

4.7 Medien

Um nahtlos an die Unwahrscheinlichkeiten der Kommunikation anzuknüpfen, sollen die Unwahrscheinlichkeitsfaktoren zunächst den betreffenden Medien als Transformatoren gemäß Abbildung 1 gegenübergestellt werden.

Systemtheorie - Medien

Abbildung: Medienliste92

Zu Abbildung 1: Das Universalmedium Sinn stellt die fundamentale Verbindung zwischen psychischen und sozialen Systemen her.93 Die Kommunikationsmedien Sprache und Verbreitungsmedien treten den Unwahrscheinlichkeiten entgegen, dass Alter und Ego sich verständigen können (Sprache) und dass Kommunikation über den Anwesenheitskreis hinausgehen kann (Verbreitungsmedien). Symbolisch generalisierte Medien spielen im Zeichen der vorliegenden Thematik eine untergeordnete Rolle und finden daher keine weitere Beachtung.94 Dem Sonderfall Massenmedien ist das gesonderte Kapitel 4.8 gewidmet.

4.7.1 Medium/Form

Bevor zum Universalmedium Sinn in Kapitel 4.7.2 und zu den Kommunikationsmedien Sprache und Verbreitungsmedien in Kapitel 4.7.3 zurückgekehrt wird, geht es nachfolgend um die Differenz Medium/Form, die als grundsätzliches Merkmal aller Medien zu verstehen ist.

Luhmann versteht unter Medien95 folgendes: „Diejenigen evolutionären Errungenschaften, die an jenen Bruchstellen der Kommunikation ansetzen und funktionsgenau dazu dienen, Unwahrscheinliches in Wahrscheinliches zu transformieren, wollen wir Medien nennen.“96 Die Transformation vollbringen Medien, indem sie Selektionsspielräume begrenzen „ohne die Selektionsmöglichkeit zu unterbinden. […] Die Eingrenzung erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass Selektionen passen.“97 Zu denken ist z.B. an Sprache, dessen Selektions-möglichkeiten immens sind, aber eben nur innerhalb der Grenzen von Sprache, also Lautbildung, Satzbildung mittels Wortschatz, Grammatik usw. Es geht bei diesem Vorgang darum, dass die Übermittlung98 wahrnehmbarer Objekteigenschaften reibungslos verläuft, ohne dass die Übermittlung selbst wahrgenommen wird. Deshalb wird das Motiv des Mediums seinerseits in ein differenzielles Schema gefasst. Die Unterscheidung lautet Medium/Form, wobei es sich wiederum um zwei Seiten einer Medaille und um eine systeminterne Unterscheidung handelt. Dies soll hier eingehender betrachtet werden:

Das Medium bezeichnet die lose Kopplung von Elementen. Die Form hingegen bezeichnet die feste Kopplung von Elementen. Da ein Medium, also lose Kopplungen, keinen inneren Widerstand leistet, lassen sich seine Elemente durch die Verwendung von Systemen zu festen Kopplungen verdichten. Die Form, die aus einem Medium hervorgeht, weist hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit eine höhere Rigidität und Durchsetzungskraft gegenüber dem Medium auf. Wahrnehmbar ist daher immer nur die Form, nicht aber das Medium. Die Übermittlung wahrnehmbarer Objekteigenschaften bleibt damit substanzlos:99 Z.B. ist der Fußabdruck am Sandstrand die Form (feste Kopplung) im Medium Sand (lose Kopplung). Was hier gesehen wird, sind die substanzlosen rigideren Objektseigenschaften eines Fußabdrucks gegenüber dem Sand. Der Medium/Form Begriff ist dabei flexibel und lässt sich dehnen und verengen. Beobachtet man etwa die Form des großen Zehs des Fußabdrucks, wird der Fußabdruck, der gerade noch die Form darstellte, selbst zum Medium. Je feinkörniger und loser die Kopplungen des Mediums sind, desto variabler sind die Formgebungsmöglichkeiten: Je gröber oder steiniger der Sand, desto undeutlicher die Form des Fußabdrucks. Es geht auch bei diesem Beispiel nur darum, ob und wie sich Formen als Informationswert verarbeiten lassen. Auch mit Medium/Form ist nicht physische Faktizität, also hier die Gegenständlichkeit des Sandes gemeint. Dies ändert nichts daran, dass die Physis maßgebende Bedingung für das Medium und seine Formen sein kann. So ist ohne Meer keine Küste und ohne Küste kein Sandstrand vorstellbar. Die Distinktion – also Fußabdruck im Unterschied zu Sandstrand – bekommt aber erst im Ergebnis systeminterner Unterscheidung mittels Operation ihre systemrelevante Bedeutung als Information. Für psychische und soziale Systeme bedeutet dies, dass sie für die Herstellung und Erhaltung ihrer selbst auf die Verwendung von Sinn und Sprache angewiesen sind. Medien sind folglich für nichts weniger als die Existenz von Systemen unabdingbar.100

4.7.2 Sinn

Das Medium Sinn findet in jeder Operation beobachtender psychischer und sozialer Systeme Verwendung und umfasst, ähnlich dem Begriff Welt, alles, was operativ selektionsfähig ist. Sinn ist am Bild einer Glocke vorstellbar, unter der sich alles Sinnhafte befindet. Fragt man nun danach, was sich außerhalb der Glocke befindet, so muss die Frage mit Sinn beantwortet werden. Selbst wenn die Antwort Nichts lautet, wäre dies auch eine Antwort in der Kategorie von Sinn. Dem, was außerhalb der Glocke liegt, wird folglich ebenfalls Sinn zugeschrieben.101 „Sinn ist eine nichtnegierbare Kategorie […]. Wir kommen nicht aus dem Medium heraus.“102 Sinn ist damit auch dann gegeben, wenn etwas als sinnlos erachtet wird – deshalb gilt es als Universalmedium. Wenn jemand also meint, das Leben sei sinnlos, wird eben diese Aussage als sinnvoll erachtet.103 Sinn ist nicht von vorherein in der Welt vorhanden, sondern wird durch beobachtende Systeme in die Welt eingeschrieben. Sinn ist damit eine nicht limitierte sowie nicht endende Größe. Gleichwohl „sind in allen Sinnzuweisungen einheitlich drei fundamentale Unterscheidungen enthalten, die er [Luhmann] „Sinndimensionen“ nennt“104.105 Zur Verdeutlichung nachfolgend einige Beispiele:106

Sachdimension: innen/außen, dazugehörigen/nicht-dazugehörig, Thema/Nicht-Thema

Zeitdimension: früher/später, vorher/nachher, Vergangenheit/Zukunft

Sozialdimension: eigene Perspektive/Perspektive der anderen, Alter/Ego

Um die universelle Bedeutung von Sinn vor allem als Bindeglied zwischen sozialen und psychischen Systemen zu untermauern, sei nachfolgend ein Beispiel107 angeführt, bezogen auf soziale Online-Netzwerke.

Systemtheorie - Beispiel Medium Sinn

Abbildung: Verwendung von Sinn am Beispiel sozialer Online-Netzwerke

4.7.3 Kommunikationsmedien

„Wenn wir von Kommunikationsmedien sprechen, meinen wir immer die operative Verwendung der Differenz von medialem Substrat und Form. Kommunikation ist nur, und das ist unsere Antwort auf das Unwahrscheinlichkeitsproblem, als Prozessieren dieser Differenz möglich.“108 Wenn man bspw. denkt oder spricht, geschieht dies immer anhand der Differenz von Medium/Form innerhalb der Medien Sprache und Sinn. Kommunikation bedient sich folglich immer der Medien, aus denen sie Formen bildet. Kommunikationsmedien bilden das Gegengewicht zu den Unwahrscheinlichkeiten der Kommunikation.109 Nachfolgend geht es daher vertiefend um die Kommunikationsmedien Sprache und Verbreitungsmedien.

4.7.3.1 Sprache

„Das grundlegende Kommunikationsmedium […] ist die Sprache“.110 Der Sprache kommt eine besondere Bedeutung zu, denn Sprache ist die Form, in der soziale Systeme kommunizieren und psychische Systeme denken.111 Ferner steht im Mittelpunkt der Funktion der Sprache, dass Alter und Ego sich verständigen können. Im Falle von Kommunikation unter Anwesenden ist „Sprache […] ein Medium, das sich durch Zeichengebrauch auszeichnet. Sie benutzt akustische bzw. optische Zeichen für Sinn.“112 Im Falle auditiver Kommunikation werden akustische, im Falle visueller Kommunikation optische Zeichen benutzt. In beiden Fällen geht es darum einen Unterschied in Form von spezieller Lautheit zu prozessieren. Kommunikation unter Anwesenden muss nicht auf Sprache beruhen, aber wenn von ihr Gebrauch gemacht wird, ist „die Absicht der Kommunikation unbestreitbar“113. Dabei erzeugt Sprache eine weitere Realität nach dem gleichen Muster wie dies schon bei Beobachtung der Fall ist.114 Außerdem erzeugt Sprache eigene Zeit und eigenen Raum, die sich sprachlich raffen oder ausdehnen lassen. Neben der primären Realität zeigt sich am Beispiel der Sprache die sekundäre Realität dadurch, dass es sprachlich keineswegs darum gehen muss, was real präsent ist. Ebenso wenig ist Sprache an reale Zeit und realen Raum gebunden.115 Der Faktor Zeit und Raum lässt sich anhand der Abbildung 2 auf Sprache übertragen: Heike macht ihren Urlaub zum Thema, wobei der Urlaub keineswegs real zugegen ist. Der Urlaub dauerte drei Wochen und wurde auf einem Berg in einem fernen Land verbracht. Um von ihm zu berichten vergehen wenige Augenblicke auf einer Oberfläche.

Eine weitere bedeutende Leistung der Sprache ist, dass sie im Unterschied zur primären Realität immer eine Verdopplung ihrer selbst als Ja- und Nein-Version bereithält.116 Sprache zwingt folglich dazu, eine bejahende oder verneinende Version zu wählen, was damit korrespondiert, eine Kommunikation annehmen und ablehnen zu müssen.117 Wenngleich es für Sprache ohne Bedeutung ist, welche Fassung gewählt wird, ist dies keineswegs bedeutungslos für Kommunikation. Ein Nein steigert die Wahrscheinlichkeit, dass die Kommunikation zum Erliegen kommt. Sprache bietet aber einen Ausweg: Sie ermöglicht es, etwas zu sagen, was nicht gemeint ist. Sie ermöglicht es, Ja zu sagen aber Nein zu denken. Sie ermöglicht es, zu leugnen und zu täuschen. Dadurch eröffnet Sprache innerhalb ihrer Grenzen eine unfassbar große Anzahl an Kommunikationsmöglichkeiten.118

4.7.3.2 Verbreitungsmedien

Schrift

Ausgehend von der Sprache ist Schrift eine optische Form von Sprache. Die Bedeutung der Schrift als Verbreitungsmedium ist fundamental, denn sie ermöglicht eine immense Ausdehnung der Reichweite von Kommunikation über den Kreis der Anwesenden hinaus und tritt damit der Unwahrscheinlichkeit entgegen, dass Kommunikation unverändert mehr Personen erreicht als in einer Situation unter Anwesenden anwesend sind.119 Hierzu ist Schrift geeignet, weil sie Kommunikation von der Notwendigkeit entkoppelt, Information, Mitteilung und Verstehen gleichzeitig und räumlich koordiniert stattfinden zu lassen. Schrift verstärkt die dreiteilige Differenzierung von Kommunikation und ist Luhmann zufolge insofern kommunikativer als mündliche Kommunikation. Was im Unterschied zur mündlichen Kommunikation zudem in den Vordergrund rückt, ist der Informationswert innerhalb einer klaren Abgrenzung von Anfang und Ende einer Mitteilung. Gleichzeitig hat Schrift den Effekt sich von einer personalen Beziehung zur mitteilenden Person zu lösen. Schrift erhält damit einen unpersönlichen Charakter und kann als die erste Form der Telekommunikation aufgefasst werden. In dem Moment des Verstehens – also der dritten Komponente des Kommunikationsprozesses120 – ermöglicht Schrift Kommunikation ohne die räumliche und zeitliche Anwesenheit Alters (Senderin/ Sender).121 Allerdings: „Nur schreiben reicht nicht; gelesen muss es werden.“122 Zur Verdeutlichung: Liebe Leserin, lieber Leser, in dem Moment, in welchem sie diese Zeilen lesen und verstehen, erfolgt Kommunikation. Das eigentlich Verblüffende hieran ist, dass Sie keine Wahl haben. Sie können gar nicht anders als eine von mir (TS) ausgewählte Information und Mitteilung zur Synthese zu bringen – also die dritte Komponente der Kommunikation zu erfüllen.123

Buchdruck

Der nächste evolutionär bedeutsame Schritt im Zeichen der Verbreitungsmedien ist die Erfindung des Buchdrucks und mit ihm eine enorme Ausweitung der Reichweite von Schrift. Die gesellschaftlichen Konsequenzen sind weniger aufgrund der Erfindung der Technik des Herstellens, sondern vielmehr aufgrund der Technik des Lesens als revolutionär zu bezeichnen. Letzteres könnte aus heutiger Sicht kaum deutlicher sein, bedenkt man im Rahmen der vorliegenden Thematik, dass die Verwendung sozialer Online-Netzwerke fast vollkommen darauf abstellt lesen zu können. Buchdruck ist ebenso der Beginn einer Nachfrageorientierung, denn es wird von nun an gedruckt, was sich verkaufen lässt. Buchdruck bringt zudem endgültig die Anonymisierung der Schrift mit sich. Die Zuordnungsfähigkeit von Personen und deren Handschriften ist durch den Buchdruck aufgehoben. Ebenso ist der Empfängerkreis nicht mehr von der sendenden Person steuerbar: Wem die Mitteilung mittels Buchdruck letztlich zugeht und was die Empfängerseite von der Mitteilung hält, bleibt der Sendeseite weitestgehend verborgen. Die Empfängerseite hingegen kann nur noch aufgrund entsprechender Kennzeichnung darauf vertrauen, dass es sich bei dem Buchdruckerzeugnis um die Mitteilung einer bestimmten mitteilenden Instanz oder Person handelt.

Dies hat weitreichende Folgen für die Akzeptanz von Autoritäten124. Vormalige autoritäre Instanzen – etwa von kirchlicher oder monarchischer Seite – lassen sich durch selbige immer weniger aufoktroyieren. Stattdessen erschaffen sich neue Autoritäten mittels öffentlicher Aufmerksamkeit und Wirkung selbst. Kulturell bedeutet der Buchdruck die gesellschaftliche Anerziehung von Standards wie u.a. einheitliche Orthografien der Nationalsprachen, eine Systematisierung und Kategorisierung von Wissen, eine lineare Denkweise und einer ebenso linearen Vorstellung von Zeit sowie punktueller Zeitmessung. Letzteres hat zur Folge, dass Gegenwart an Bedeutung verliert. Luhmann zufolge hat Gegenwart im Gegensatz zu älteren zirkulären Zeitvorstellungen keinen Zustand von Dauer und keine Stabilität. Gegenwart wird als Umschlagsimpuls von Vergangenheit und Zukunft verstanden. Charakteristisches Moment für die moderne Gesellschaft ist daher auch, keine Zeit zu haben. Neuheit und Tempo gewinnen zunehmend an Bedeutung, was im Hinblick auf die vorliegende Thematik nicht zu bestreiten ist: Schon die Darstellung von Zeitlinien in den Nachrichtenfeeds sozialer Online-Netzwerke scheint die Temporalisierung des Informationsflusses zu verstärken. Wohlgemerkt: Nicht die Themen verhelfen dem Buchdruck zu der Form, welche die Eigenschaften Neuheit und Tempo mitführt. Das Medium selbst bringt die Eigenschaft kontinuierlicher Neuerscheinungen mit. Zudem entkoppelt der Buchdruck von der Notwendigkeit, gleichzeitig oder zumindest spontan wechselnd zu handeln und zu beobachten, wie dies bei Interaktionssystemen unter Anwesenden der Fall ist. Anhand des Buchdruckerzeugnisses kann sich die Empfangsseite ganz auf das Lesen und somit das Beobachten konzentrieren. Es handelt sich dabei um die Beobachtung höherer Ordnung gemäß Kapitel 4.4, was zur mehrheitlichen Grundhaltung in der Gesellschaft wird.125

Kurzum, der Buchdruck markiert die Anfänge von Faktoren wie die Technik des Lesens, Nachfrageorientierung, Anonymisierung, Enthierarchisierung, Einführung von Standards und schließlich die Aufnahme eines Neuheit- und Tempodrucks. Es geht teilweise um Faktoren, die das Erscheinungsbild sozialer Online-Netzwerke prägen und deshalb im Rahmen der vorliegenden Thematik Beachtung finden.

Elektronische Medien

Der vorerst letzte evolutionäre Schritt im Zuge der Entwicklung von Verbreitungsmedien sind die elektronischen Medien, die unter den Voraussetzungen der Elektrizität entstehen konnten. Zu den elektronischen Medien gehören:

  1. Telekommunikation wie Telefon, Telefax oder elektronischer Postverkehr
  2. Kommunikation beweglicher Bilder wie Kino und Fernsehen
  3. Elektronische Maschinen der Informationsverarbeitung wie Computer

Luhmann befasst sich vor allem mit den unter Punkt 2 und 3 aufgeführten Verbreitungsmedien, woran sich die nachfolgenden Ausführungen orientieren. Auch wenn im Bereich sozialer Online-Netzwerke unterschiedliche Formen elektronischer Medien zum Einsatz kommen, geht es im Kern um den Einsatz von Computern. Nachdem einige grundlegende Aspekte elektronischer Medien behandelt wurden, sollen daher Luhmanns Ausführungen insbesondere zum Thema Computer im Mittelpunkt der Betrachtung stehen.

Elektronische Medien führen eine neue Ebene in die Kommunikation ein. Es ist die Technik126, die sich frei von kommunikativem Inhalt und Sinn unter den Vorgang der Kommunikation legt.127 Kommunikation findet nun nicht mehr unter biologisch organischen oder physischen Bedingungen statt. Somit wird „Technik […] zur Natur, zur zweiten Natur, weil kaum jemand versteht, wie sie funktioniert“128 und das Verständnis, anders als bei der Technik des Lesens oder Sprechens und Zuhörens, auch nicht vorausgesetzt wird. Dabei ersetzen die elektronischen Medien nur partiell die früheren Medien und ihre Formen.129 Entscheidend ist, dass elektronische Medien und vor allem die Entwicklung von Computertechnologien eine enorme Erweiterung hinsichtlich der Unwahrscheinlichkeit von Kommunikation in puncto Erreichbarkeit bedeuten.130 Systemtheoretisch geht es bei der Skizzierung von Computern etwa um folgendes:

Computer131 sind technische Apparaturen (s.o.), auf denen Prozesse ablaufen, die während der Nutzung weitestgehend unsichtbar sind. Was zur Verwendung frei liegt, ist eine der jeweiligen Aufgabe entsprechend anpassungsfähige Oberfläche, die im unsichtbaren technischen Bereich auf der Grundlage vorbestimmter Algorithmen und Daten eines Computerprogramms beruht. In der Handhabe reagiert diese Oberfläche auf die Verwendung der vorangegangen Medien, allen voran auf Schrift und Sprache.

Neben der technischen Computerperipherie kommt mit dem Internet zudem eine schier unermessliche Fülle zur Verfügung stehender Informationen hinzu. Die Autorinnen und Autoren von Informationen treten dabei immer weiter in den Hintergrund. Der durch den Buchdruck ins Wanken gekommene Stand von Autoritäten wird durch den leichten Informationszugang überprüfbar und dadurch nochmals verstärkt anfecht- und kritisierbar. Gleichsam führt die Informationsfülle zu sozialer Entkopplung, denn die Verbindung zwischen Alter und Ego wird immer beliebiger. Da ein Computer Informationen auf der Grundlage von Programmalgorithmen und Daten generiert, kommt es hinsichtlich der Sach- und Sozialdimension ebenfalls zur Entkopplung von Sinn.132 Alle kommunikativen Vorgänge bewegen sich vor allem in der Zeitdimension und räumlich unabhängig: Eine Information und Mitteilung kann auf der anderen Seite des Globus ausgelöst werden und nahezu gleichzeitig auf dieser Seite der Erde empfangen werden. Hieraus entsteht Weltkommunikation und Weltgesellschaft, in dessen Licht territoriale Grenzen überholt erscheinen.133 Selbst die Wahl der elektronischen Übermittlungsform, also ob per schriftlicher oder auditiver bzw. audiovisueller Übermittlungsmethode, scheint kaum noch Beschränkungen zu unterliegen. Ebenso unbegrenzt sind die Mitteilungsmöglichkeiten hinsichtlich der Zugänglichmachung im Privaten oder in der Öffentlichkeit.

Letzteres zielt auf Telekommunikationsmedien und Bewegtbildmedien ab, die hier in Kurzform Beachtung finden sollen, da sie in sozialen Online-Netzwerken vorkommen. Mit elektronischer Telekommunikation ist direkte und vorwiegend gleichzeitig stattfindende Kommunikation zwischen zwei oder einer begrenzten Anzahl Personen gemeint.134 In sozialen Online-Netzwerken ist hier an Email-ähnliche Funktionen oder Chats gedacht, die über Telefonie- und Videotelefonie-Funktionen verfügen.135 Im Hinblick auf Bewegtbildmedien spielen im Bereich sozialer Online-Netzwerke vor allem Videos mittels Verlinkung und Einbettung in Posts (Social Sharing) eine wichtige Rolle.136 Luhmann geht es bei der Beschreibung von Bewegtbildmedien vor allem um den Aspekt, dass sie im Gegensatz zur Sprache und Schrift, die eine zweite Realität erzeugen137, eine Art Alibi-Realität herstellen. Dies liegt an der Unmittelbarkeit von Bildern, die sich bspw. dadurch zeigt, dass sich Bewegtbilder nicht zeit- und raumunabhängig verhalten. Wenn eine Situation in der Realität drei Minuten beansprucht, wird sie medial bspw. in Form einer Filmszene die gleiche Zeit beanspruchen, es sei denn, man hat es mit Manipulationen wie Zeitraffern und dergleichen zu tun. Bewegtbilder enthalten keine Nein-Fassung wie dies bei Sprache der Fall ist, und es wird ihnen folglich geringere Widersprüchlichkeit und weniger Manipulationsmöglichkeiten unterstellt, obschon Manipulationen auch hier technisch durchaus möglich sind.138

Auch an dieser Stelle soll das Gesagte bezogen auf soziale Online-Netzwerke kurz zusammengefasst werden. Soziale Online-Netzwerke lassen sich eindeutig als Verbreitungsmedien in systemtheoretischem Sinne verifizieren. Wenngleich ihre Oberflächen auf Technik, also auf strikten Kopplungen beruhen, so sind die der Technik zugrundliegenden Formen ein mediales Angebot loser Kopplungen, aus denen wiederum Formen hervorgehen. Welche Freundschaften man schließt, also welche Kopplungen gefestigt werden, ist ebenso offen wie die Wahl der Mitteilungsfunktionen. Die Mitteilungsfunktionen können nahezu alle vorgestellten Kommunikationsmedien in sich aufnehmen: Von der Verwendung des Universalmediums Sinn sowie Sprache über Merkmale des Buchdrucks bis hin zur Videoübertragung. Insofern tragen soziale Online-Netzwerke dazu bei, die Unwahrscheinlichkeiten von Kommunikation in Wahrscheinlichkeiten zu transformieren.

4.8 Massenmedien

Nachdem im Feld der Medien das Begriffspaar Medium/Form, Sinn und die Verbreitungsmedien zur Problemlösung der Unwahrscheinlichkeiten von Kommunikation vorgestellt wurden, soll eine knappe, eigenständige Darstellung wesentlicher Merkmale der systemtheoretischen Fassung des Begriffs Massenmedien nach Luhmann folgen. Die Ausführungen werden sich insbesondere auf zwei Wesenszüge beschränken: Nach einer allgemeinen Definition der Massenmedien geht es zum einen in Kapitel 4.8.1 um den sogenannten Code, der ein entscheidendes Moment bei der Bildung der Massenmedien als Funktionssystem darstellt. Hieran anknüpfend und mit dem Mechanismus des Codes eng verbunden steht zum anderen in Kapitel 4.8.2 die Funktion der Massenmedien im Fokus der Betrachtung.

Luhmann definiert Massenmedien wie folgt: „Mit dem Begriff der Massenmedien sollen […] alle Einrichtungen der Gesellschaft erfaßt werden, die sich zur Verbreitung von Kommunikation technischer Mittel der Vervielfältigung bedienen. Vor allem ist an Bücher, Zeitschriften, Zeitungen zu denken, die durch Druckpresse hergestellt werden; aber auch photographische oder elektronische Kopierverfahren jeder Art, sofern sie Produkte in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten erzeugen. Auch die Verbreitung der Kommunikation über Funk fällt unter den Begriff, sofern sie allgemein zugänglich ist […]. […] Entscheidend ist auf alle Fälle: daß keine Interaktion unter Anwesenden zwischen Sender und Empfängern stattfinden kann.“139

Die Anhaltspunkte „keine Interaktion“, „Verbreitung von Kommunikation [anhand] technischer Mittel der Vervielfältigung“ und „elektronische Kopierverfahren jeder Art, sofern sie Produkte in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten erzeugen“ bedeuten, dass es sich um die Realisierung von Kommunikation unter Abwesenden durch Zuhilfenahme technischer Mittel handelt, die nur von der Sendeseite Richtung Empfangsseite erfolgt. Das Internet ist ein solches technisches Mittel, und dennoch ist es Luhmann zufolge kein Massenmedium, weil es ebengrade über diverse Formen des kommunikativen Rückkanals verfügt.140 Das heißt nicht, dass sich nicht auch Formen der Massenmedien im Internet ausbilden könnten. Hierzu ist die Aussage „in großer Zahl“ in Referenz zur Interaktion unter Anwesenden und parallel dazu das Maß der dritten Komponente der Kommunikation Verstehen141, über welche Kommunikation erst zustande kommt, hinzuziehen. Wenn bspw. ein thematisch spezialisiertes Weblog über einen überschaubaren Empfängerkreis verfügt und sich eins-zu-eins Kommunikation, also interaktionsnahe Szenarien zwischen Sende- und Empfangsseite herstellen lassen, so ist diese Plattform eher nicht als Massenmedium anzusehen. Neigt der Empfängerkreis jedoch dazu aus einer großen Anzahl zu bestehen, ist die Realisierung von ein-zu-eins Kommunikation schon sehr bald nicht mehr möglich. Ein Weblog würde damit zum Massenmedium tendieren.142 Auf die Frage, inwiefern diese Sachlage auch auf soziale Online-Netzwerke zutrifft, wird in Kapitel 5.4.1 eingegangen.

Nachdem nun die Luhmannsche Definition der Massenmedien vorgestellt wurde, gilt es zu beachten, dass Massenmedien medial die Formen der vorangestellten Verbreitungsmedien verwenden und folglich in unterschiedlichen Formaten wie Zeitungen, Radio, Fernsehen und entsprechenden Internet-Ausgaben erscheinen. Da sie eine Form annehmen können, aber gleichzeitig kommunizieren, sind sie Medium und selbsttätig operierendes soziales System zugleich. Es handelt sich bei den Massenmedien nicht um bloße Verbreitungsmedien im Sinne kommunikativer Unwahrscheinlichkeitstransformatoren, sondern sie erfüllen darüber hinaus als System, wie noch zu zeigen sein wird, eine gesellschaftliche Funktion.143

4.8.1 Codierung

Zunächst ist zur Kenntnis zu nehmen, dass sich die Massenmedien (wie auch alle anderen Funktionssysteme) entlang der Mechanismen System/Umwelt, Beobachtung und Selbstreferenz/Fremdreferenz mittels des Operationsmodus Kommunikation als soziale Systeme ausbilden. Die Leitdifferenz, Impulsgeber für die Ziehung der eigenen Systemgrenze, sowie die Differenz Selbstreferenz/Fremdreferenz wird hier als Code bezeichnet, anhand dessen sich ein Funktionssystem konstituiert. Der Code ist der Schlüssel zur Autopoiesis, also zur Herstellung und Erhaltung des Funktionssystems aus sich selbst heraus. Macht/Nicht-Macht ist der Code des Funktionssystems Politik, Zahlung/Nicht-Zahlung der des Wirtschaftssystems und Wahr/Nicht-Wahr der des Wissenschaftssystems. Die Codierung der Massenmedien lautet Information/Nicht-Information. An dieser Stelle ist entscheidend, dass sich das Funktionssystem mittels seines Codes auf den kleinstmöglichen Nenner und daher sicheren Mechanismus der Reduktion von Komplexität stützt, um sich trennscharf von seiner Umwelt abzugrenzen. Ferner dient die Unterscheidung Information/Nicht-Information dem Massenmediensystem als Schema seiner Beobachtung und Selbstbeobachtung. Da es sich beim Code ebenfalls um eine Differenz handelt, wird somit lediglich die Seite Information im System Massenmedien kommunikativ weiterverarbeitet. Im Umkehrschluss heißt dies, dass das, was nicht als Information angesehen wird (aus welchen Gründen auch immer), keine weitere Berücksichtigung findet – nach den Regeln der Beobachtung für das System also nicht einmal sichtbar ist. Dabei kann das System, daran sei hier erinnert, nur Information verarbeiten, wenn bereits entsprechende Anknüpfungspunkte, also Strukturen im System vorhanden sind. Zugespitzt formuliert: Die Massenmedien werden von einem ihnen gänzlich unbekannten Land niemals berichten und zwar nicht, weil dies einem Willen oder einer Bestimmung unterliegt, sondern schlicht, weil es ihnen nicht möglich ist. Sie wissen schließlich nichts von dem Land, und es ist unmöglich von einer Sache zu wissen, von der man einfach keine Kenntnis erlangt.144

Von der Ausgangslage des Codes Information/Nicht-Information her betrachtet soll fortführend geschildert werden, inwiefern die Massenmedien mit anderen Funktionssystemen in Relation stehen, weil auch dies für soziale Online-Netzwerke durchaus bedeutsam ist. Die unter dem Code liegenden Unterscheidungsebenen sind die sogenannten Programme, die ein weiteres Selektionsraster dafür bilden, inwiefern sich etwas als Information behandeln lässt. Die Programme heißen Nachrichten und Berichte, Werbung sowie Unterhaltung. Innerhalb dieser Programmkategorien läuft seinerseits ein hochgradig selektiver Prozess ab, der den gleichen Mechanismen der Informationsselektion als erste Komponente des Kommunikationsprozesses gehorcht, was im Übrigen im Falle des Codes Information/Nicht-Information ebenfalls zutreffend ist.145 Es sind die Programme, über welche die Massenmedien die Verbindungen zu anderen gesellschaftlichen Funktionssystemen ihrer Umwelt herstellen, wobei die Verbindungen in gegenseitigen Abhängigkeiten münden. Ein Beispiel: Das Funktionssystem Politik oder Wissenschaft ist abhängig von den Massenmedien, wenn es um die gesellschaftliche Verbreitung der nach ihrer Ansicht relevanten Informationen geht. Was schließlich ausgewählt wird, bleibt dabei dem eben skizzierten Selektionsvorgang der Massenmedien vorbehalten. Ebenso stehen die Massenmedien in Abhängigkeit zur Politik, zur Wissenschaft und zur Wirtschaft, denn sie sind zur Aufrechterhaltung ihrer selbst zwingend auf Informationen angewiesen und benötigen darüber hinaus Zahlungsmittel, um gleichsam ihre Voraussetzungen zu erhalten. Hieraus entsteht ein permanent oszillierendes Spannungsfeld, denn das jeweilige Funktionssystem verlässt innerhalb dieser Abhängigkeiten nicht seinen Code, also die jeweilige Leitdifferenz seiner eigenen Autopoiesis. Wenn die Massenmedien z.B. manipulativ arbeitende Werbung senden, um an Geldmittel zu gelangen und hier mit dem Code Zahlung/Nicht-Zahlung in Kontakt treten, senden sie im nächsten Atemzug Berichte über das Wissenschaftssystem oder die Politik, die den Codes Wahr/Nicht-Wahr und Macht/Nicht-Macht folgen. Die Massenmedien selbst bleiben dabei ihrem eigenen Code Information/Nicht-Information verpflichtet. Hieraus lässt sich ableiten, dass die Funktionssysteme voneinander abhängig sind, sich die Massenmedien aber aufgrund ihres Codes in zweierlei Hinsicht ihre Unabhängigkeit sichern. Einerseits bleiben sie unabhängig von den Selektionsverfahren anderer Funktionssysteme, und andererseits sind sie nicht darauf angewiesen, dass etwas in der primären Realität passiert, worüber berichtet werden könnte.146

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der ebenfalls auf die Auswirkungen der Codierung der Massenmedien zurückgeht und im Zuge sozialer Online-Netzwerke ebenfalls von erheblicher Bedeutung ist, liegt darin, dass sich Massenmedien selbst einem ständigen Informationsdefizit aussetzen und so einen selbsterzeugten Produktionsdruck von Information erzwingen. Information muss, wie in Kapitel 4.6.2 dargelegt, eine Zustandsänderung in einem System auslösen können, um überhaupt als Information wahrgenommen zu werden. Zur Klarstellung sei hinzugefügt, dass es sich bei Informationen, die die Massenmedien produzieren, nicht etwa um eine andere Art von Informationen handelt. Vielmehr geht es um ebendiese erste Komponente einer Kommunikationseinheit, die ausnahmslos alle sozialen Systeme verwenden. Die Massenmedien haben dies reflexiv in ihre Codierung übertragen. Wenn also ein Akteur der Massenmedien eine Information sendet, dann muss im Zweifel davon ausgegangen werden, dass diese Information jemanden auf der Empfangsseite erreicht und damit soziale Redundanz erzeugt. Sobald dieser Tatbestand eintritt, kann die gleiche Information keine zweite Zustandsänderung in einem System auslösen: Aufgrund sozialer Redundanz muss vom Vorgang des Verstehens ausgegangen werden. Information verwandelt sich somit unmittelbar nach dem Vorgang der Mitteilung, d.h. für Akteure der Massenmedien mit der Vollendung des Sendens, in Nicht-Information. Die Massenmedien berauben sich durch ihr eigenes Wirken folglich permanent ihrer eigenen autopoietischen Basis. Die Lösung dieses Problems besteht in der Verlagerung des Problems auf die Zeitachse, und wieder folgt dies keiner expliziten Bestimmung von außen. Es geht nicht anders, und die gesellschaftlichen Folgen sind evident. Die Massenmedien „erzeugen die Zeit, die sie voraussetzen, und die Gesellschaft paßt sich dem an.“147 Massenmedien verstärken die gesellschaftliche Temporalisierung, wie sie sich seit dem Auftreten des Buchdrucks bereits abzeichnete und die durch elektronische Medien, allen voran das Internet, erheblich beschleunigt wurde.148

Die erfolgte Beschreibung der Massenmedien bietet Anhaltspunkte, um die wesentlichen Merkmale sozialer Online-Netzwerke in Kapitel 5 zu diskutieren. Bevor hierzu übergegangen wird, geht es im Rahmen des systemtheoretischen Terminologieauszugs abschließend um die gesellschaftliche Funktion der Massenmedien.

4.8.2 Gesellschaftliche Funktion

Luhmann zufolge erfüllen die Massenmedien mittels Selbstbeschreibung der Gesellschaft vor allem eine Gedächtnis- und eine Irritationsfunktion, die einander bedingen.149

Zur Funktion eines Gedächtnisses – hier als soziales oder auch gesellschaftliches Gedächtnis verstanden – gehört neben der Aufgabe etwas zu speichern vor allem die Aufgabe etwas zu vergessen. Die Aufgabe der Speicherung besteht darin, einen Informationswert rekursiv, das heißt im Rücklauf, aus der Vergangenheit in die Gegenwart zurückzuholen, um die notwendige Zugriffsfähigkeit für Anschlussoperationen herzustellen. Dies erfolgt auf der Grundlage struktureller bzw. sozialer Redundanz oder, vereinfacht ausgedrückt, aufbauend auf das, was bereits durch die Massenmedien gesendet wurde und als Hintergrundwissen bereitsteht. Das Vergessen hingegen, auch dies steuern die Massenmedien anhand ihrer Selektivität, legt Kapazitäten frei, um die Operationsfähigkeit eines Systems zu erhalten, also um das System jederzeit offen für Neues zu halten. Die Massenmedien legen damit vor, was gerade wichtig ist und was, zunächst jedenfalls – es lässt sich gerade anhand elektronischer Medien immer auf alles wieder zurückgreifen – vergessen werden kann. Entscheidend ist, dass den Massenmedien als soziales Gedächtnis mittels ihrer Selbstbeschreibung eine Stabilisierungsfunktion zukommt: Durch das Hintergrundwissen wird Gewissheit über die Gesellschaft und die Welt bereitgestellt, was als bekannt angesehen werden kann und worauf sich Kommunikation aufbauen lässt, aber – und das ist ebenfalls wichtig – nicht aufbauen muss. Es handelt sich um nicht-konsenspflichtiges Hintergrundwissen, und somit steht jeder Person offen, sich stärker mit gewissen Themen zu befassen als mit anderen – d.h. Kommunikationen anzunehmen oder abzulehnen.150

Neben ihrer stabilisierenden Funktion halten die Massenmedien die Gesellschaft wach. Dies erfüllen sie, indem sie in zweifacher Hinsicht für ständige Irritation sorgen. Zum einen geht es schlicht darum, dass die Massenmedien einem hochselektiven Schema folgen, was gemeinhin bekannt ist. Ihre Codierung führt dazu, dass sie unter Manipulationsverdacht stehen: Der gesellschaftlich bekannte Umstand, dass Massenmedien Informationen auswählen, die sie senden, ist gleichbedeutend damit, dass sie andere Informationen unberücksichtigt lassen. Dadurch entsteht der permanente Druck, eine unvollständige Informationslage durch das Empfangen weiterer Informationen ausgleichen zu müssen. Zum anderen – und dies ist ebenfalls auf ihren Code Information/Nicht-Information zurückzuführen – sind sie gehalten, Präferenzen bei der Themenwahl zu bilden. Die Präferenzen sind hauptsächlich davon bestimmt, Informationen zu senden, die möglichst dazu geeignet sind, Zustandsänderungen in den Systemen der Empfangsseite zu erzeugen. Deshalb werden im wahrsten Sinne des Wortes überwiegend beunruhigende Informationen wie Konflikte, Skandale, Katastrophen oder gesellschaftliche Mängel im Allgemeinen gesendet. Die gesellschaftliche Reaktion hierauf kommt einem Echo gleich, welches bewirkt, dass sie sich ebenfalls mangelbehaftet wahrnimmt. Dies ist selbst dann der Fall, wenn man weiß, dass in anderen Regionen der Welt viel widrigere Umstände herrschen. Für das gesellschaftliche Stimmungsbild ist folglich weniger die tatsächliche Verbreitung des Wohlstands sondern vielmehr die Darstellung der Umstände von Bedeutung.151

Luhmann postuliert im ersten Satz eines seiner letzten Werke mit dem Titel „Realität der Massenmedien“ Folgendes: “Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien.“152

Diese recht radikale These ist im Lichte des systemtheoretischen Begriffsapparats zu verstehen: Wirsind natürlich imstande, uns über eigene Erfahrungen, unser Wohlbefinden und das lokale Wetter auszutauschen, und wir sind auch imstande, jemandem den Weg zur nächsten Bushaltestelle zu erklären, also unser Wissen mitzuteilen. In solchen Fällen geht es aber nicht um Wissen über die Gesellschaft oder die Welt, sondern um Sachverhalte, die unsere Umwelt betreffen. Im Gegensatz dazu können wir an Wissen über die Gesellschaft als die Gesamtheit aller Kommunikation und die Welt, also alles, was außerhalb unserer systemspezifischen Umwelt liegt, gar nicht anders gelangt sein als über die Massenmedien. Es sei nochmals an die wesentlichen Anhaltspunkte der Definition von Massenmedien im Sinne Luhmanns erinnert:

„keine Interaktion“

„Verbreitung von Kommunikation [anhand] technischer Mittel der Vervielfältigung“

„elektronische Kopierverfahren jeder Art, sofern sie Produkte in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten erzeugen“

Wenn uns jemand etwas von seinem Wissen über Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Kultur, Erziehung usw. mitteilt, dann geschieht dies auf der Grundlage von Informationen, die wiederum auf anderen Informationen aufbauen, die meistens nach den Verfahren der Massenmedien hergestellt und verbreitet wurden. Hiervon unberührt bleiben persönliche Mitteilungen über persönliche Erfahrungen mittels Gespräch, Telefonat oder einer persönlichen Nachricht in einem sozialen Online-Netzwerk. Luhmann zufolge reicht das in der Umwelt angesiedelte Wissen einer Person allerdings bei weitem nicht aus, um sich in der modernen komplexen Gesellschaft bewegen zu können.153 Deshalb ist jeder auf die Massenmedien angewiesen, was Luhmann nicht unkommentiert stehen lässt – im Gegenteil. Er beendet das oben erwähnte Werk mit einer „totalen Verwunderung“154: „[W]ie ist es möglich, Informationen über die Welt und über die Gesellschaft als Informationen über die Realität zu akzeptieren, wenn man weiß, wie sie produziert werden?“155

Kurzum, die Funktion der Massenmedien ist eine paradoxe Angelegenheit: Alles, was sie hervorbringen, beruht auf Beobachtungen nach festgelegten Selektionskriterien. Die Selektionen der Beobachtungen werden nicht von der Sache her an die Massenmedien herangetragen, sondern die Massenmedien stellen ihre Selektionskriterien selbst auf, indem sie Information als erste Komponente jeder Kommunikation zum konstitutiven Maß alles Weiteren machen. Daraufhin wird gesendet, was sich möglichst unaufhörlich senden lässt, um das Funktionssystem Massenmedien am Laufen zu halten. Was die Massenmedien hervorbringen, sind folglich Mitteilungen über Beobachtungen mit blinden Flecken, denn sie blenden aus, was sie für nicht mitteilenswert halten. Sie schweben zudem nicht über der Gesellschaft, sondern sind Teil des Geschehens, das sie beobachten und beschreiben. Damit ist es unmöglich jemals alles im Blick zu haben. Die Realität der Massenmedien ist also immer konstruiert, da sie so oder auch anders sein und dargestellt werden könnte. Diese Wirklichkeitskonstruktionen werden in die primäre Realität hineingetragen und als Selbstbeschreibung der Gesellschaft gesellschaftlich akzeptiert. Kommunikation über Gesellschaft und die Welt basiert damit immer auf Beobachtungen höherer Ordnungen. Wird jedoch die gesellschaftliche Selbstbeschreibung der Massenmedien mit Beobachtungen erster Ordnung verwechselt, entsteht der Eindruck, das Was der Beobachtungen, also die primäre Realität, im Blick zu haben. Neben der berechtigten Frage danach, was in der Realität geschieht, müsste es aber eben so sehr um das Wie der Beobachtung gehen, also um die Frage, warum die Massenmedien gerade so auswählen und mitteilen wie sie es eben tun.156

Bildlich gesprochen ist es wie mit einem Berg und einer Bergkarte: Ohne die Bergkarte (konstruierte Wirklichkeit der Massenmedien) könnte man den Berg (primäre Realität) nicht besteigen, weil man sich verirren würde. Die Karte sorgt für Orientierung, um dem richtigen Weg folgen zu können. Alles andere blendet sie aus. Gleichwohl sollte man die Bergkarte nicht mit dem Berg verwechseln, denn nur der Berg kann bestiegen werden. Verharrt man während des Aufstiegs in der Karte, wird man von dem Berg nichts sehen.157

Schlussendlich kommt hinzu, dass eine Beschreibung der Gesellschaft niemals abgeschlossen sein kann, denn wenn man sie ihr zurückgeführt hat, ist die Gesellschaft nicht zuletzt weil man ihr etwas zugeführt hat, nicht mehr die Gleiche, die man einmal beschrieben hat. Das Spiel geht immer und immer wieder von vorn los.158

5 Soziale Online-Netzwerke aus systemtheoretischer Perspektive

Im Folgenden sollen nun die in Kapitel 2 erörterten wesentlichen Merkmale sozialer Online-Netzwerke den Kernelementen der systemtheoretischen Theoriestücke aus Kapitel 4 gegenübergestellt werden.159 Im Mittelpunkt der Diskussion steht, welche Schnittmengen sich aus der Gegenüberstellung ergeben. Hierzu werden die wichtigsten Eckpunkte der vorangegangen Abschnitte sowie die bereits genannten Zwischenergebnisse nochmals hervorgehoben und in Relation zu den eingangs aufgestellten Kernfragen gesetzt.160 Die Kernfragen lauten:

Inwiefern decken sich allgemeine systemtheoretische Mechanismen mit den Vorgängen in sozialen Online-Netzwerken? (Kapitel 5.1)

Inwiefern sind soziale Online-Netzwerke Kommunikationssysteme? (Kapitel 5.2)

Welche Rolle spielen soziale Online-Netzwerke als Medien? (Kapitel 5.3)

Welche Parallelen gibt es zwischen den Mechanismen der Massenmedien und sozialen Online-Netzwerken? (Kapitel 5.4)

5.1 Allgemeine systemtheoretische Mechanismen in sozialen Online-Netzwerken

Aus der Perspektive allgemeiner systemtheoretischer Mechanismen wie der Differenz System/Umwelt lassen sich einfache Vergleiche heranziehen, indem davon ausgegangen wird, dass es sich bei einem sozialen Online-Netzwerk als Ganzes um das System handelt und das, was es zugriffsfähig umgibt, die Umwelt (Internet, World Wide Web o.ä.) darstellt. Die gleiche Vorstellung ließe sich auf ein Mitgliederprofil (System) und alles in anknüpfungsfähiger Reichweite außerhalb des Mitgliederprofils (Umwelt) anwenden. Entscheidend ist hier jedoch, dass keinerlei Operationsweise erkennbar ist. Das, was ein soziales Online-Netzwerk zunächst ausmacht, ist nichts weiter als ein leeres Stück Papier. Es ist vorerst lediglich ein Konstrukt, was auf die Eingabe von Informationen eingestellt ist, um bestimmte Formen hervorzubringen. Erst die Befüllung des sozialen Online-Netzwerks durch Personen oder Organisationen verleiht einem sozialen Online-Netzwerk seine Formen. In diesem Punkt deckt sich die Auffassung, dass Social Media Plattformen (denen soziale Online-Netzwerke angehören) erst durch ihre Benutzung zu dem werden, was sie sind.161 Und dennoch, an einem sozialen Online-Netzwerk ist für sich genommen nichts erkennbar, was der Vorstellung eines Operationsmodus ähneln könnte, der sich aus sich selbst heraus rekursiv herstellt und erhält, also autopoietisch arbeitet. Für sich genommen ist ein soziales Online-Netzwerk zunächst folglich nicht als System zu bewerten.

Wird nun die Rolle einer Person (Alter = Senderin/ Sender) einbezogen, der sich ein soziales Online-Netzwerk aus der Sicht eines Mitgliederprofils eröffnet, werden die Aspekte der Beobachtung sowie Selbstreferenzialität relevant. Alter bezieht das Mitgliederprofil mittels Beobachtung in seinen Möglichkeitsradius ein. D.h. Alter unterscheidet und bezeichnet vor dem Hintergrund der technischen Vorgabe ‚Mitgliederprofil/Nicht-Mitgliederprofil‘ und transformiert als Re-Entry daraus die Differenz ‚mein Profil/nicht-mein Profil‘ oder ‚Ich/Nicht-Ich‘. Im Zuge Alters Bewusstseinsoperationen bedeutet dies, dass das eigene Profil eine Ausweitung der Selbst- und Fremdreferenz ermöglicht – vereinfacht und exemplarisch gesprochen: „Welches Informationsangebot (Fremdreferenz) steht mir, Alter, zur Verfügung?“ und „welche Mitteilungsmöglichkeiten (Selbstreferenz) habe ich?“. Hier wiederum greift das Bild der System/Umwelt-Differenz, und zwar keineswegs als Reifikation, sondern vollkommen formal im Sinne einer operativen Wirklichkeit. Hinzu kommt, ob technisch vorgegeben oder nicht, dass kein anderes Mitglied eines sozialen Online-Netzwerks über ein und dieselbe Profilsicht verfügt. Es ist unbestreitbar, dass jedes Profil und jede Profilsicht ein Unikat darstellt. Hier passt das Motiv systemrelativer Umwelten: Die Nutzung sozialer Online-Netzwerke kann als Ausweitung systemrelativer Umwelten für jedes einzelne Mitglied162 angesehen werden.

Empirisch deckt sich das Motiv der Beobachtung und Selbstreferenzialität mit dem Befund, dass die Profile vorwiegend mit tatsächlich zutreffenden biografischen Angaben bestückt und selten bis zur Unkenntlichkeit geändert oder anonymisiert werden.163 Damit sind die Mitgliederprofile auch äußerlich unterscheidbar und lassen sich einem kontextunabhängigen und eindeutigen Namen zuweisen. Wichtig erscheint die eindeutige Adressierbarkeit, denn wenn es nicht darauf ankäme, wer gerade welches Profil benutzt und nicht mehr von „meinem Profil“ die Rede sein kann, würde die Adressierbarkeit von Personen verloren gehen. Es kann also festgehalten werden, dass vor allem Selbstreferenzialität beim Verhalten in sozialen Online-Netzwerken eine tragende Rolle spielt. Da Selbstreferenzialität ein zirkulärer Prozess ist und im Moment des Ausgangspunkts gleichzeitig auf diesen zurückwirkt, ist ebenso davon auszugehen, dass die Mitgliedschaft in sozialen Online-Netzwerken auf das Verhalten außerhalb sozialer Online-Netzwerke zurückwirkt. Wie sich dieses Verhalten verändert, muss im Rahmen der vorliegenden Arbeit offen gelassen werden.

Wird das Bild nun um die in Kapitel 2.2 skizzierten Verbindungen erweitert, lässt sich in Bezug auf die Ausweitung systemrelativer Umwelten feststellen, dass soziale Online-Netzwerke häufig Teil des sogenannten Mehr-Ebenen-Networking sind.164 Damit ist gemeint, dass sich die Verbindungen der Personen in sozialen Online-Netzwerken weitestgehend mit dem verbundenen Personenkreis der persönlichen Offline-Wirklichkeit decken. Versteht man den verbundenen Personenkreis einer Person als komplexes Gebilde, wo alle Personen unmöglich jederzeit miteinander in Verbindung stehen könnten, lassen sich die Kontaktlisten eines Mitgliederprofils als strukturgebendes, komplexitätsreduzierendes Hilfsmittel ansehen.165 Es sei daran erinnert, dass Strukturen systeminterne Zustände von Verlässlichkeit herstellen, die bspw. auf kontextübergreifend abrufbarem Wissen basieren. Die Mitgliedschaft in einem sozialen Online-Netzwerk kann folglich weit über die Funktion eines Adressbuchs hinaus mit all seinen kommunikativen Elementen als ordnungsgebende Instanz angesehen werden, die wichtige Begrenzungen innerhalb hoher Komplexität schafft. Dieser Vergleich mag trivial erscheinen, verliert aber an Banalität, wenn man sich vor Augen führt, dass es sich im Zuge eines Mehr-Ebenen-Networking um nichts weniger als eine verdichtete Abbildung (hier nicht reduziert auf Adressbücher) wichtiger Beziehungen des Lebens wie zu Familie, Freundeskreis, beruflichem Umfeld usw. handelt.

5.2 Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken

Weiterführend soll nun der Abgleich der systemtheoretischen Fassung von Kommunikation mit den kommunikativen Aktivitäten in sozialen Online-Netzwerken erfolgen. Wie in Kapitel 4.6.2 bereits dargestellt, tragen soziale Online-Netzwerke offenkundig und in erheblichem Maße zur Realisierung von Kommunikation bei. Nachfolgend steht im Fokus, welche kommunikativen Vorgänge aus systemtheoretischer Sicht in sozialen Online-Netzwerken aktiviert werden. Im Mittelpunkt stehen Beobachtungsoperationen sowie die drei- bzw. vierteilige Dekomposition der Kommunikationskomponenten Information, Mitteilung, Verstehen und die Transformation des Verstehens in Anschlusskommunikation. Ausgangspunkt ist, dass sich Personen finden, die soziale Online-Netzwerke nutzen. Dies ist nachdrücklich Voraussetzung dafür, dass Kommunikation zustande kommen kann.166

Ein Beispiel167: Es geht um das Mitgliederprofil samt Nachrichten- und Kommentarfeed sowie persönlichem Nachrichten- und Chatdienst von Nutzerin Heike. Heike findet zahlreiche Mitteilungen unterschiedlicher Arten und unterschiedlicher Senderinnen und Sender vor. Anzahl und Art der Mitteilungen hängt von den Verbindungen des Profils ab. Von Musiktipps und Befindlichkeitsberichten aus dem Freundeskreis über Urlaubsbilder und -videos von Kolleginnen und Kollegen bis hin zum Krisenbericht über den Nahen Osten bereitgestellt durch die Tagesschau – im Nachrichtenfeed kann nahezu alles stattfinden, was sich mitteilen lässt.168

Aus systemtheoretischer Perspektive spielt sich kommunikativ etwa Folgendes ab: Zunächst finden selbstreferenzielle Beobachtungen durch Nutzerin Heike (Ego = psychisches System) statt. Heike fixiert und versteht einen Post eines Feeds im Sinne der Unterscheidung von Information und Mitteilung als Synthese. Sie vollzieht also die dritte Komponente einer Kommunikationseinheit. Kommunikation ist somit zustande gekommen, und zwar, wie in Kapitel 4.6 skizziert, im Rückgriff des Verstehens und nicht schon als Sendeleistung. Wie in Kapitel 4.6.3 festgestellt, registriert Heike mittels mitlaufender Selbstbeobachtung im Verstehen den Vollzug der Synthese von Information und Mitteilung. Heike versteht, dass die vorliegenden Informationen (Fremdreferenz Alters = Senderin/ Sender) und Mitteilungen (Selbstreferenz Alters = Senderin/ Sender) auch anders hätten ausfallen können: „Warum postet jemand dieses so – in diesem Stil, mit dieser Konnotation, mit dieser Wortwahl?“169. Unter den Bedingungen der Selbstreferenzialität hat Heike die Möglichkeit Anschlusskommunikation zu realisieren. Auffälliges Merkmal sozialer Online-Netzwerke ist, dass die Designs zahlreiche und simplifizierte Formen der Anschlusskommunikation ermöglichen. Bekanntes Beispiel ist der Like Button bei Facebook oder die Möglichkeit, jeden einzelnen Post zu kommentieren.170 Heike hat somit die Möglichkeit, eine Mitteilung mit einem Klick anzunehmen und vollzieht damit die Transformation der vierten Kommunikationskomponente: Unter getauschten Vorzeichen als Alter hat sie eine Information von möglichen anderen unterschieden (Fremdreferenz) und eine Mitteilungsvariante von möglichen anderen unterschieden (Selbstreferenz). Heike aktiviert die ‚Gefällt mir‘-Funktion und hat damit Anschlusskommunikation realisiert. Die Selbstbezüglichkeit dieser Mitteilung könnte kaum deutlicher sein. Heikes Profil ist mit etwa 200 Profilen verbunden, d.h. die Anschlusskommunikation stellt eine Mitteilung dar, die potenziell von mindestens 200 Personen empfangen werden kann. Heikes Aktion hat damit soziale Redundanz gesteigert. Neben dieser Anschlusskommunikation hat Heike einer Freundin in Israel eine persönliche Nachricht geschrieben, die sie seinerzeit während eines Auslandssemesters in einem Kibbuz kennengelernt hatte. Darüber hinaus verabredet sie sich auf eigene Initiative via Chat mit ihrem Partner und einer Kollegin zum Abendessen. Während die Aktivierung der ‚Gefällt mir‘-Funktion eine teilöffentliche171 Mitteilung darstellt, hat Heike durch die Nutzung des persönlichen Nachrichten- und Chatdienstes eine eins-zu-eins-Kommunikation realisiert und die Verabredung fürs Abendessen unter interaktiven Bedingungen ermöglicht. Die drei Kommunikationen, die Heike ausgelöst hat, sind nach den Unterscheidungen von Information und Mitteilung entstanden. Dabei hätte Heike alle drei Kommunikationen auch anders realisieren können.172

An dieser Stelle ist zunächst festzuhalten: Das, was mittels sozialen Online-Netzwerken realisiert wird, ist Kommunikation. Es handelt sich folglich um den kontinuierlichen Aufbau und Zerfall sozialer Systeme. Aus dem vorangegangenen Beispiel werden folgende Eigenschaften von Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken ersichtlich: 1. Nutzerinnen und Nutzer können sich Kommunikationsofferten entziehen, denn Heike hat lediglich eine Auswahl vielfältiger kommunikativer Möglichkeiten gewählt. 2. Der Aspekt der Interaktion tritt zutage und 3. in diesem Zuge der Typus sozialer Systeme. 4. Soziale Online-Netzwerke ermöglichen kontextübergreifende Vielfältigkeit von Kommunikationsleistungen. Diese Eigenschaften werden im Folgenden weiter ausgeführt.

5.2.1 Ablehnung von Kommunikation

Es ist möglich sich Kommunikationsofferten in sozialen Online-Netzwerken zu entziehen. Neben Ausschlussfunktionen für Nachrichten- und Kommentarfeeds, die bestimmte Posts ausblenden, hat man immer auch die Möglichkeit, eine Verbindung zu einem Profil wieder aufzuheben, wenn man sich der Kommunikationsofferten dieses Profils entledigen will.173 Allerdings: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“174 „Einmal in Kommunikation verstrickt, kommt man nie wieder ins Paradies der einfachen Seelen zurück“175. Das bedeutet: Hat man einmal von einer Mitteilung Kenntnis genommen, ist – ob man will oder nicht – eine Kommunikation zustande gekommen. Das, was sich danach ereignet, ist in jedem Fall Anschlusskommunikation. Die Annahme einer Kommunikationsofferte erfolgt dabei explizit, denn die Annahme kann nur dann als gesichert gelten, wenn es zu einer Folgemitteilung kommt. Die Ablehnung einer Kommunikationsofferte geschieht hingegen meist implizit. Nicht reagieren oder eine Verbindung aufheben impliziert die Information, in Abhängigkeit zur Selbstreferenzialität von Ego (Empfängerin/ Empfänger), dass man es etwa nicht für nötig hält zu reagieren oder kein Interesse mehr hat. Nichtsdestoweniger ist die Ablehnung einer Kommunikation die Negativseite, das Nein einer Differenz von Information/Nicht-Information bzw. Mitteilung/Nicht-Mitteilung. Ein soziales System kommt über kurz oder lang somit zum Stillstand. Die Ablehnung von Kommunikationsofferten eines Profils, die man einmal entgegengenommen hat, um hier den Kreis zu schließen, ist eine in die Zukunft gerichtete Erwartung, wie etwas sein sollte und damit wiederum die Aktualisierung systeminterner Strukturen. Ob die Merkmale der Steuerbarkeit der Informationszufuhr und die Ablehnbarkeit von Kommunikationsofferten ein Alleinstellungsmerkmal sozialer Online-Netzwerke gegenüber anderen Medien ist, bleibt allerdings fraglich.176

5.2.2 Interaktion in sozialen Online-Netzwerken

Ein immer wieder genannter kommunikativer Aspekt in der Literatur zum Thema Social Media ist die Interaktivität – so auch in sozialen Online-Netzwerken.177 Interaktion ist, wie in Kapitel 4.6.1 dargestellt, ein systemtheoretisch reservierter Begriff, der eine bestimmte Art sozialer Systeme bezeichnet. Kernmerkmal ist, dass Kommunikation unter Anwesenden ohne technische Unterbrechung stattfindet.178 Es soll hier keine Diskussion dazu eröffnet werden, ob Kommunikation, die vom Senden und Empfangen her zumindest nahezu zeitgleich stattfindet, in systemtheoretischem Sinne als Interaktion anzuerkennen ist oder nicht. Stattdessen sei darauf hingewiesen, dass das Kriterium Interaktion ebenfalls entlang einer Unterscheidung geführt wird, nämlich anwesend/abwesend.179 Personen in sozialen Online-Netzwerken sind zumindest zeitlich nicht unbedingt abwesend, wenngleich sich ihre Anwesenheit (von Videokonferenzen abgesehen) kommunikativ schlussendlich nur in dem Moment bestätigt, wenn Ego eine Mitteilung empfängt und den Zeitpunkt auf nahezu eigene zeitgleiche Anwesenheit datieren kann. Hieran ändern auch An- und Abwesenheitsfunktionen, die den An- oder Abwesenheitsstatus von Mitgliedern signalisieren sollen, nichts. Gleichwohl bedeutet die Nutzung von mobilen Endgeräten wie Smartphones die lokale Entkopplung der Nutzung sozialer Online-Netzwerke. Mit Kommunikation unter Nicht-Abwesenden ist folglich in gesteigertem Maße zu rechnen. Neben Kommunikation unter zeitlich Nicht-Abwesenden hat Ego also gleichzeitig Zugriff auf Informationen, die zweifelsfrei nicht unter Anwesenheit zustande gekommen sind. Es ergibt sich folglich die Eigentümlichkeit, dass Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken unter Abwesenden und Anwesenden zugleich stattfindet. Der Aspekt der Interaktion wird im Feld der Massenmedien in Kapitel 5.4.2 wieder aufgenommen.

5.2.3 Soziale Netzwerke als Sozialform

Die Feststellung, dass man es bei sozialen Online-Netzwerken mitsamt ihrer Nutzerinnen und Nutzern mit sozialen Systemen zu tun hat und man unweigerlich auf den Begriff der Interaktion trifft, führt zu der Frage, um welchen Typ sozialer Systeme es sich bei sozialen Online-Netzwerken außerdem handelt. Luhmann schlägt, wie in Kapitel 4.6.1 dargestellt, neben Interaktionen Organisationen oder gesellschaftliche Subsysteme wie bspw. Funktionssysteme vor.180 Bei Organisationen handelt es sich um hierarchisch aufgestellte Kommunikationssysteme zur Entscheidungsfindung, die sich zudem adressieren lassen. Funktionssysteme hingegen sind Kommunikationssysteme, die eine gewisse systeminterne Homogenität zur Erfüllung eines bestimmten gesellschaftlichen Zwecks aufweisen. Übergeordnetes Merkmal ist, dass Funktionssysteme entlang eines Codes operieren und sich im Unterschied zu Organisationen nicht adressieren lassen – den Massenmedien, dem Rechtssystem, dem Wirtschaftssystem usw. kann man nicht schreiben.181 Als Kommunikations-system verstanden lässt sich ein soziales Online-Netzwerk weder Organisationen182 noch Funktionssystemen zurechnen, denn sie sind weder hierarchisch strukturiert noch ist ein deutlicher Operationsmodus entlang eines Codes erkennbar, noch lässt sich ein soziales Online-Netzwerk als Ganzes adressieren. Was soziale Netzwerke stattdessen repräsentieren könnten – der Zusatz Online wird hier schlicht als besondere Ausprägung der Form verstanden – wird in systemtheoretischen Fortführungen in Anlehnung an Luhmann vorgeschlagen. Zwei dieser Entwürfe, die sich zumindest nicht gänzlich widersprechen, sollen hier aufgegriffen werden:

Baecker183 ist der Ansicht, dass Gesellschaft an einem Wendepunkt steht, an dem sie sich von Strukturen funktionaler Differenzierung hin zu einer nächsten Gesellschaft ablöst, dessen Differenzierungsstrukturen noch nicht erkennbar sind. Die gesellschaftliche Bedeutung heterogener Netzwerkphänomene im Zuge der Entwicklung von Computern und Internet nimmt zu und impliziert eine mögliche Anwartschaft.184

Tacke185 schlägt vor, soziale Netzwerke als eine besondere Sozialform anzuerkennen, die imstande ist, Systemgrenzen zu „übergreifen“ und heterogene Leistungen auf der Basis von Reziprozität, also Gegenseitigkeit, auszutauschen.186 Im Unterschied zu relativ markanten System/Umwelt-Grenzen sozialer Systeme wie Interaktionen, Organisationen und Funktionssystemen werden Systemgrenzen in sozialen Netzwerken zwar nicht aufgehoben, doch verflüssigen sie und steigern dadurch ihre heterogene Leistungsfähigkeit.187

In Tackes Auslegung kann der kleinste gemeinsame Nenner der Reziprozität im Sinne eines Konditionalprogramms188, also das Geben und Nehmen von Leistungen, in sozialen Online-Netzwerken darin gesehen werden, Kommunikation anzunehmen, wenn es gestattet ist selbst Kommunikationsofferten zu senden. Twitter ist hierfür ein bekanntes Beispiel, und das Prinzip lautet: Wenn ich Dir folge, folgst Du mir auch.189 Das gegenseitige Folgen, also das gegenseitige Annehmen von Kommunikationsofferten, geschieht bei Twitter freiwillig anhand doppelseitiger Zustimmung. In anderen sozialen Online-Netzwerken ist hingegen die Bestätigung einer Verbindung gleichbedeutend damit, dass die Nutzerinnen und Nutzer beider Profile in den Adressatenkreis des jeweils anderen gezwungen werden. Eine solche reduzierte Form der Reziprozität vorausgeschickt, lässt sich das Übergreifen von Systemgrenzen zudem in zweierlei Hinsicht auslegen: Zum einen geht es bei Systemgrenzen genauer um Subsystemgrenzen, Subsysteme verstanden als Lebensbereiche wie Familie, Freundeskreis, Beruf oder Hobby. Ein Beispiel: Ein Kollege hilft einem anderen bei einer Angelegenheit im Sportverein. Die Art der Gegenleistung bleibt auf unbestimmte Zeit offen. Daher ist die Rede von heterogenen Leistungen. Das Netzwerk ist hier nicht der Bereich Hobby oder Beruf, sondern eben gerade das Übergreifen von einem Lebensbereich (Subsystem) in einen anderen. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es sich bei sozialen Netzwerken aus systemtheoretischer Sicht um eine Sonderform sozialer Systeme handelt, die der Interaktion nahe steht, die aber vor allem aufgrund zeitlicher und kontextueller Ungebundenheit über Interaktion hinausgeht.190 Zum anderen lässt sich das Übergreifen von Systemgrenzen als kontextübergreifende Kommunikation verstehen, die in sozialen Online-Netzwerken besonders ausgeprägt in Erscheinung tritt. Hierauf wird nachfolgend näher eingegangen.

5.2.4 Polykontexturale Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken

Die Auslegung Tackes stellt auf kontextübergreifende Kommunikation ab, die in sozialen Online-Netzwerken unterschiedlicher kaum sein könnte: Heike erreicht ein Bericht über die Konfliktsituation in Nahost als Post der Tagesschau, um im nächsten Atemzug von ihrer Freundin in Israel mittels persönlicher Nachrichten über das Leid in Nahost zu erfahren. Es handelt sich um unterschiedliche Beobachtungsoperationen, die vollkommen unterschiedliche Bilder gleicher Themenkontexte in völlig anderen Sozialkontexten zeichnen. Im gleichen Zeitfenster hat Heike unter interaktiven Bedingungen eine Abendverabredung organisiert und den Musiktipp aus dem Freundeskreis bestätigt. An diesem Beispiel lässt sich auf die von Luhmann aufgegriffene Sichtweise der Polykontexturalität verweisen. Im Unterschied zu einer ontologischen Weltvorstellung, die sich auf das Sein oder nicht-Sein der Welt beruft, heißt Polykontexturalität, dass es in einer Gesellschaft, die über keinerlei übergeordnete Einheit verfügt, darauf ankommt, aus welchem Kontext heraus Beobachtungen vollzogen werden. Der Effekt der Polykontexturalität läuft darauf hinaus, dass alles uneinheitlich „gegenbeobachtbar“ ist.191 Um bei unserem Beispiel zu bleiben: Heike entnimmt dem Post der Tagesschau Bilder von aufgebrachten Menschenmengen und Verletzten. Ihre Freundin in Israel berichtet hin und wieder von Granateneinschlägen, die sie nachts gehört hat. Verletzte oder gar tote Menschen hat ihre Freundin noch nie gesehen. Beide Beobachtungen gehören irgendwie zum Thema „Konflikt in Nahost“, und doch sind sie in völlig unterschiedlichen Kontexten entstanden und werden mittels sozialem Online-Netzwerk nochmals in einen anderen Kontext eingeführt.192 Der Versuch, dies alles in jeweils eigene System/Umwelt-Differenzen anhand der Muster Interaktion, Organisation oder Funktionssystem zu zerlegen, erscheint hier nicht ganz treffend. Es handelt sich gemäß Bommes und Tacke zwar immer noch um System/Umwelt-Differenzen, aber eben um fluide Systemgrenzen.193 Wohlgemerkt: Kognitiv lassen sich die extrem weitgedehnten Themenkomplexe auf einem Smartphone abgebildet in der Hosentasche mitführen. Wenngleich es sich auch bei der Systemstabilität im herkömmlichen Sinne um dynamische Stabilität handelt, erscheint das Bild fluider Systemgrenzen doch leistungsfähiger und angemessener.

5.3 Medium/Form in sozialen Online-Netzwerken

Kapitel 4.7.1 wurde damit abgeschlossen, dass Medien unverzichtbar für das Zustandekommen und den Erhalt sozialer Systeme sind. Dass soziale Online-Netzwerke für die Herstellung und die Erhaltung sozialer Systeme verwendet werden können, verdeutlicht der vorangegangene Abschnitt. Im Folgenden wird nun die Rolle sozialer Online-Netzwerke als Medium aus systemtheoretischer Perspektive skizziert. Einleitend stehen grundlegende Aspekte loser und fester Kopplungen im Mittelpunkt der Betrachtung sowie die Differenz Medium/Form. Daraufhin geht es um die Besonderheiten sozialer Online-Netzwerke als Unwahrscheinlichkeitstransformatoren von Kommunikation. Die Besonderheiten sozialer Online-Netzwerke als Medium werden in Referenz zu den Medien Sprache, Schrift, Buchdruck sowie elektronische Medien gemäß Kapitel 4.7.3 erörtert.

Soziale Online-Netzwerke haben zunächst nichts weiter zu bieten als ein technisches Fundament, das darauf eingestellt ist für Menschen gemachte Formen, also Texte, Bilder, Audio- oder Videoaufzeichnungen aufzunehmen und ebenfalls für Menschen verständlich wiederzugeben.194 Auf der Grundlage der in Kapitel 2.2 skizzierten technischen Voraussetzungen stellt das gesamte Erscheinungsbild sozialer Online-Netzwerke wie Darstellungen der Benutzungsführung, Ein- und Ausgabefelder, Schaltflächen usw. ebenfalls eine technische Konstruktion dar. Hierauf aufbauend bieten soziale Online-Netzwerke ein Repertoire kommunikativer Spielräume, die gleichzeitig beschränkt sind. Eine deutliche Beschränkung ist u.a. das Mitgliedschaftserfordernis, ohne die die Realisierung von Kommunikation nur begrenzt möglich ist, so dass sich z.B. nur lesen, aber nicht schreiben lässt. Systemtheoretisch gesprochen handelt es sich bei der Technik sozialer Online-Netzwerke um strikte Kopplungen, die einen Input aufnehmen um einen spezifischen voraussehbaren Output auszugeben. Die Medialität hingegen kommt erst durch Verwendung psychischer und sozialer Systeme zur Geltung, und zwar wiederum nicht aufgrund physischer Faktizität, sondern auf Grundlage dessen, was als Form wahrnehmbar ist. Wie in Kapitel 4.7.1 dargestellt, geht es um die Differenz Medium/Form, wonach nicht das Medium, sondern nur seine Formen, also die wahrnehmbaren Objekteigenschaften wie Texte, Bilder oder Videos der Posts in Erscheinung treten. Es ist eine Unterscheidung, die einen Unterschied ausmacht, die systemintern verarbeitet wird. Folglich ergibt sich ein schwierig zu durchdringendes Geflecht aus technischen Voraussetzungen (strikte Kopplungen) und Medien (lose Kopplungen), die nur durch Formen (feste Kopplungen) wahrnehmbar sind. Zur besseren Anschaulichkeit sei als Vergleich der Herstellungsprozess eines Buches herangezogen, in welchem das Schreiben, der Druck und das Lesen im gleichen Moment als oszillierender Prozess stattfindet.

Eine weitere systemtheoretische Parallele hinsichtlich der Bedeutung von Kopplungen stellen offenkundig die Verbindungen dar. Die Darstellung der Verbindungen basiert ihrerseits auf einem technischen Fundament strikter Kopplungen. Als Medium (lose Kopplungen) lassen sie sich verfestigen aber auch wieder auflösen und gewinnen wiederum nur als Form (feste Kopplungen) ihre Bedeutung für psychische und soziale Systeme. Sie stellen gewissermaßen konservierte Kommunikationsleistungen dar, die sich, solange eine Verbindung nicht aufgehoben wird, jederzeit aus unterschiedlichen Beweggründen heraus aktualisieren lassen. Essentielles Moment der Netzwerkbildung sind die „weak ties“, die schwachen Verbindungen zu Profilen zweiten Grades, denn sie ermöglichen den Schritt über die eigentliche Umwelt eines psychischen Systems hinaus. Entscheidend ist auch hier nicht die physische Faktizität sondern das Moment, indem eine Verbindung operative Verwendung findet, also ähnlich wie Struktur re-aktualisiert wird. Die Beweggründe können im Austausch von Leistungen und heterogenen Gegenleistungen bestehen und auch diese können über die Verbindungen ersten Grades hinweggehen. Dies wird als Faktor heterogener Reziprozität bezeichnet. Dabei geht es um ein Konditionalprogramm, welches darauf angelegt ist Leistungen zu erbringen, die durch ungleiche und auch zeitungleiche Gegenleistungen vergütet werden. Letztlich liegt es im Wesen der Verbindungen, die ebenfalls die Differenz Medium/Form verwenden, die Adressierbarkeit anderer Profile und mit ihm die Verbindungen zweiten Grades zu sichern.195

Nachfolgend geht es um den Abgleich sozialer Online-Netzwerke aus Sicht systemtheoretischer Fassungen des Kommunikationsmediums Sprache sowie der Verbreitungsmedien Schrift, Buchdruck und elektronische Medien.196 Zunächst sind die Unwahrscheinlichkeiten der Kommunikation zu rekapitulieren, mit welchen es soziale Online-Netzwerke aufzunehmen haben:

Sprache versus ‚es ist unwahrscheinlich, dass sich Alter und Ego verständigen können‘.

Verbreitungsmedien versus ‚es ist unwahrscheinlich, dass die Kommunikation unverändert mehr Personen erreicht als in einer Situation unter Anwesenden anwesend sind‘.

Symbolisch generalisierte Medien versus ‚es ist unwahrscheinlich, dass Kommunikation Erfolg hat, d.h. Anschlusskommunikation auslöst‘.197

5.3.1 Bedeutung von Sprache in sozialen Online-Netzwerken

Sinn und Sprache sind die beiden essentiellen Medien menschlichen Daseins, die die strukturelle Kopplung zwischen psychischen und sozialen Systemen herstellen. Es erschien deshalb wichtig, bereits zu Beginn der vorliegenden Arbeit klarzustellen, dass die Verwendung sozialer Online-Netzwerke auf einem der ältesten Medien beruht, die die menschliche Evolution bislang hervorzubringen vermochte. Wir denken mit dem gleichen Medium, mit dem wir auch unsere Selbstdarstellung im Internet steuern. Deshalb stellt die Verwendung menschlicher Sprache zur Steuerung der Selbstdarstellung im Internet einen markanten Unterschied zu den Anfängen des Internets dar, denn anfangs ist die eigene Darstellung nicht ohne HTML und weitere fundierte technische Kenntnisse möglich.198 Die Konsequenzen sind nicht zu unterschätzen, denn es verfügen damit sehr viele Menschen über die Fähigkeit sich im Internet selbst präsentieren zu können, auch über soziale Online-Netzwerke anhand anderer Social Media Anwendungen199 hinaus.

In Kapitel 4.7.3.1 wurde ein Beispiel dafür herangezogen, dass Sprache räumliche und zeitliche Grenzen der primären Realität überlagert und somit eine eigene Realität ausbildet. Diese Realitätsebene ist wie im vorangegangenen Beispiel dargestellt, ihrerseits nicht zu übersehen. Bezogen auf das Beispiel Heike lässt sich feststellen, dass auf ihrem Smartphone, also auf wenigen Quadratzentimetern, ein erhebliches Ausmaß an Komplexität abgebildet wird, die Heike innerhalb weniger Augenblicke handhabt (Reduktion von Komplexität)200.

5.3.2 Soziale Online-Netzwerke als Verbreitungsmedium

In Kapitel 4.7.3.2 wurde festgestellt, dass sich soziale Online-Netzwerke als Verbreitungsmedien qualifizieren lassen. Hier sollen nun die Verbreitungsmedien Schrift, Buchdruck und elektronische Medien analysiert und die Ergebnisse den Merkmalen sozialer Online-Netzwerke gegenübergestellt werden, so dass dann Gemeinsamkeiten und Unterschiede festgehalten werden können.

Schrift bedeutet als ortsunabhängiges Kommunikationsmittel die Ausweitung von Kommunikation über den Kreis von Anwesenden hinaus und hebt damit eine der Unwahrschein-lichkeiten von Kommunikation auf, indem sie Verbreitung über den Kreis von Anwesenden hinaus ermöglicht. Zudem führt Schrift einen Anonymisierungsgrad ein, den das Medium Buchdruck weiter verstärkt. Buchdruck wiederum führt vor allem die flächendeckende Technik des Lesens ein und entkoppelt, wie auch die Schrift, die kommunikative Gleichzeitigkeit des Sendens und Empfanges. Somit gibt der Buchdruck den Anstoß für die Temporalisierung des gesellschaftlichen Informationsflusses. Damit einhergehend wird Zeit mehr und mehr als Umschlagsimpuls von Vorher und Nachher erlebt und nicht etwa als Kreislauf der Dinge. Zudem bringt das Medium selbst ein Interesse an einem gesteigerten Informationsbedarf mit, denn es lässt sich als Ware handeln. Mit der Einführung elektronischer Medien, allen voran elektronischer Telekommunikation, Television sowie Computern und der Kopplungsfähigkeit dieser Medien an das Wirtschaftssystem insbesondere durch Werbung, nimmt die Handelsmasse des Mediums als Ware zu. Im Zuge der elektronischen Medien wird die Anonymisierung und Temporalisierung des Informationsflusses nochmals erheblich gesteigert. Sachdimension, Sozialdimension sowie Zeitdimension werden zunehmend undurch-sichtiger, wobei sich Technik als zweite Natur, die kaum jemand versteht als weitere Realitätsebene in die primäre Realität einführt. Unter diesen Bedingungen werden vormalige gesellschaftliche Autoritäten obsolet und neue, z.T. selbst gewählte gesellschaftliche Autoritäten herbeigeführt.

Werden die Merkmale der Verbreitungsmedien nun sozialen Online-Netzwerke gegenübergestellt, fallen sowohl Übereinstimmungen als auch Unterschiede auf. Zunächst zu den Gemeinsamkeiten.

5.3.2.1 Gemeinsamkeiten

In sozialen Online-Netzwerken findet zweifelsfrei Kommunikationsverbreitung über den Kreis der Anwesenden hinaus statt. Wenn oben von Sprache die Rede ist, dann ist damit vor allem die Schriftlichkeit und Schriftlastigkeit sozialer Online-Netzwerke gemeint. Sowohl die Steuerung als auch kommunikative Aktivitäten werden größtenteils über die Sprachform der Schriftlichkeit und mit ihr der Technik des Lesens realisiert. Auch die Entkopplung der Sach- und Zeitdimension von der primären Realität lässt sich nachzeichnen. So lassen sich die Formen des Krisenberichts und der Abendverabredung kaum voneinander unterscheiden: Die Zeitdimension unter Anwendung entsprechender Designs wird explizit visualisiert. Diverse strukturgebende Zeitlinien des psychischen Systems Heike wie ‚Aufenthalt in Israel‘, ‚Abendessen gegen 20 Uhr‘ und ‚historische Entwicklungsschübe in Nahost‘ kreuzen sich in handflächengroßer Darstellungsweise auf einem Smartphone. Welche Realitätsebene im Verhältnis zur primären Realität erreicht wird, soll an dieser Stelle nicht genauer erörtert werden. Dennoch sei die Beobachtung gestattet, dass sich Fenster zu mehreren Realitäten auftun und diese in die eigene Realität des psychischen Systems Heike zurückgeführt werden. Ebenso weitläufig wie die Frage nach der Realitätsebene wäre eine genaue Analyse sichtbarer Autoritäten201. Es ist davon auszugehen, dass sich vielfältige Autoritätstypen auftäten. Zusammengenommen lässt sich bekräftigen, dass deutliche Ähnlichkeiten zu den Entwicklungstendenzen vorangegangener Medien existieren. In Verbindung mit Kapital 5.2 lässt sich zudem festhalten, dass vor allem der Unwahrscheinlichkeit begegnet wird, Kommunikation über den Kreis der Anwesenden hinaus zu ermöglichen – mit gewissen Einschränkungen, denn die Unterschiede zeigen ebenso deutliche Grenzen auf.

5.3.2.2 Unterschiede

Differenzen lassen sich aufzeigen, indem zunächst eine Unterscheidung vorangestellt wird: Internet/Nicht-Internet und Schreiben-Lesen/Nicht-Schreiben-Nicht-Lesen. Von sozialen Online-Netzwerken als massenhaftem Phänomen zu sprechen, ist sicherlich korrekt. Wenn aber von einem weltweiten Phänomen die Rede ist, dann gilt es zunächst zu ermitteln, ob es sich beim Internet um ein weltweites Phänomen handelt. Hierzu folgende einfache Rechnung: Da bei einer Weltbevölkerung von etwa 7 Milliarden Menschen über 4 Milliarden in den Kontinenten Asien, Afrika und Lateinamerika beheimatet sind und diese Menschen mehrheitlich nicht über Internetzugänge verfügen dürften, handelt es sich beim Internet – soziale Online-Netzwerke inbegriffen – nicht um ein weltweites Phänomen. In diesen Regionen der Erde ist der Alltag von Hunger, Krankheit und Unterdrückung bestimmt anstatt von Online-Chats und Facebook-Nachrichten. Wann hier die Voraussetzungen geschaffen sein werden, um am Internet zu partizipieren, lässt sich nicht beantworten. Buchdruckerzeugnisse hingegen sind auch in diesen Regionen der Welt zumindest teilweise verfügbar. Dies stellt eine gravierende Ungleichheit als Verbreitungsmedium dar. Es geht bei dieser Schilderung nicht um eine Dramatisierung, sondern sie führt durch Verengung des Fokuses zu der Frage, ab welchem Punkt ein soziales Online-Netzwerk seine Aufgabe als Verbreitungsmedium (Erreichbarkeit von Abwesenden) nicht mehr erfüllen kann. Wie weit muss ein soziales Online-Netzwerk verbreitet sein, um als Verbreitungsmedium agieren zu können? Die Antwort lautet: In sozialen Online-Netzwerken müssen diejenigen Mitglied sein, von denen man Antwort erwartet und es dürfte mittlerweile weit mehr soziale Online-Netzwerke geben, in denen man lange auf Antwort warten wird, als solche, in denen man mit hoher Wahrscheinlichkeit Kommunikation realisieren kann.202 Zudem wird man sich auf eine Nationalsprache einigen müssen, um sich verständigen zu können. Systemtheoretisch deckt sich folglich, was zu Social Media im Allgemeinen bereits gesagt wurde: Wenn keine Kommunikation stattfindet, hört ein soziales System auf zu existieren, und ein soziales Online-Netzwerk verliert seine Existenzgrundlage als Kommunikations- und Verbreitungsmedium.

Eine Ungleichheit zum Buchdruck lässt sich in puncto Wechselseitigkeit der Technik des Lesen und Schreibens beobachten. Während das Lesen längerer Texte ungeteilte Aufmerksamkeit erfordert, hat man es in sozialen Online-Netzwerken hingegen überwiegend mit knappen Texten, in Anlehnung an die Form von Microbloggingdiensten wie Twitter, wo Posts (Tweets) auf die Länge von 140 Zeichen begrenzt sind, zu tun. Dies ermöglicht es nahezu gleichzeitig zu lesen und zu schreiben, was wiederum ein Erfordernis für die systemtheoretische Engführung der Interaktivität ist. D.h. die Kürze der Mitteilungen ist Voraussetzung dafür, schriftlich Interaktion zu ermöglichen.

Ferner ist eine Ungleichheit hinsichtlich der Sozialdimension im Medium Sinn zu erkennen. Eine weitere Zunahme der Entkopplung der Sozialdimension durch Anonymisierung ist im Zuge der Verwendung sozialer Online-Netzwerke eher hinderlich. Oben wurde bereits auf das Phänomen des Mehr-Ebenen-Networkings aufmerksam gemacht, was unter anonymen Bedingungen nicht oder nur eingeschränkt möglich wäre. Vor allem scheint hier das Merkmal stabiler Adressierbarkeit von Bedeutung zu sein, ohne die ein soziales Online-Netzwerk seinen Zweck nicht erfüllt.203 Die überwiegende Verwendung biografischer Daten und die Verwendung persönlicher Avatar-Bilder sind empirische Belege für diese Ansicht.204

5.4 Massenmedien in sozialen Online-Netzwerken

Vor dem Hintergrund der Eigenschaften als Kommunikations- und Verbreitungsmedium sozialer Online-Netzwerke gilt die Aufmerksamkeit in diesem Kapitel der einleitend gestellten Frage, welche Parallelen zwischen den Mechanismen der Massenmedien und sozialen Online-Netzwerken hervortreten. Im Zeichen der in Kapitel 4.8 gesetzten Schwerpunkte werden hierzu drei Aspekte hervorgehoben: 1. Die Frage, ab welchem Punkt Nutzerinnen und Nutzer über Mechanismen der Massenmedien verfügen. 2. Die Rolle der Organisationen, die im Zeichen des Funktionssystems der Massenmedien agieren. 3. Die Rolle der Betreibergesellschaften sozialer Online-Netzwerke.

5.4.1 User als Massenmedienakteure

Es wird schnell deutlich, dass soziale Online-Netzwerke der Definition von Massenmedien nach Luhmann sehr nah sind. Hier nochmal die wesentlichen Kernpunkte:

„keine Interaktion“

„Verbreitung von Kommunikation [anhand] technischer Mittel der Vervielfältigung“

„elektronische Kopierverfahren jeder Art, sofern sie Produkte in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten erzeugen“

Am Beispiel eines Posts (anders als bei persönlichen Nachrichten) von Userin Heike lässt sich darstellen, wie kommunikative Mechanismen sozialer Online-Netzwerke den Mechanismen der Massenmedien ähneln. Da das zweite Argument der technischen Mittel im Falle sozialer Online-Netzwerke erfüllt ist, geht es nun vorrangig um den Aspekt der Interaktion und den Aspekt der Produkte in großer Zahl mit noch unbestimmten Adressaten, Produkte hier verstanden als in Posts enthaltene Informationen.

Zur Informationsverbreitung mit noch unbestimmten Adressaten: Heike postet ein Urlaubsfoto und erreicht damit potenziell die 200 Kontakte ihres Profils.205 Wenn dies nicht bereits eine gewisse Art der Unbestimmtheit von Adressaten beinhaltet, dann besteht das entscheidende Moment aus den „weak ties“, also aus den schwachen Verbindungen zweiten Grades. Wenn alle 200 Kontakte von einer der Kommentar- oder Bestätigungsfunktionen des Posts Gebrauch machen, jeder dieser Kontakte ebenfalls über 200 Verbindungen und jedes Profil über nur eine Verbindung zu Heikes Profil verfügt, erreicht Heikes Post 2002 also 40.0002 Kontakte. Vor dem Hintergrund des Mehr-Ebenen-Networkings ist dieses Beispiel unrealistisch, denn bspw. ist Heikes Freundeskreis untereinander vielfach eng verbunden. Und dennoch: Die Anzahl Kontakte, die Heike mit einem Post erreicht, bewegt sich potenziell zwischen 200 und 40.000, d.h. das Informationsprodukt ‚Post‘ wird in großer Zahl und in jedem Fall mit noch unbestimmten Adressaten erzeugt.206 Es wurde bisher ein Bogen um den Begriff der Öffentlichkeit gemacht und es soll zu diesem Thema hier auch keine Diskussion eröffnet werden. Dennoch lässt sich kaum bestreiten, dass man sich bei der Nutzung sozialer Online-Netzwerk mit öffentlichkeitswirksamen207 Mitteilungsmechanismen konfrontiert sieht, die der Selbstbeschreibung der Gesellschaft, wie sie die Massenmedien vollführen, nahe kommt.

Zur Interaktion: Heikes 200 Kontakte reagieren auf Heikes Post alle mit einer eigenen Frage. Für die Beantwortung jeder Frage hat Heike eine Minute Zeit. Hiermit wäre Heike folglich über drei Stunden beschäftigt. Selbst wenn es nur zehn Fragen wären, die sie zu beantworten hätte, könnte von Interaktion, also Kommunikation unter anwesenheitsähnlichen Verhältnissen, kaum mehr die Rede sein.

Zusammenfasend lässt sich sagen: „Vielrezipierte neue Inhaltsanbieter im Web können mit etablierten massenmedialen Anbietern durchaus in Konkurrenz treten. Sie verlieren dann aber zunehmend ihren interaktiven Charakter (many-to-many) und werden wiederum zu asymmetrischen Vermittlungsstellen (one-to-many).“208 Folglich ermöglichen Soziale Online-Netzwerke natürlichen Personen als Mitglieder sozialer Online-Netzwerke Massenmedien-ähnliche Kommunikation. Das bedeutet auch, dass in sozialen Online-Netzwerken gesellschaftliche Selbstbeschreibung, wie sie in Kapitel 4.8.2 skizziert wurde, vollführt wird. Interaktion hingegen bleibt weitestgehend im Rahmen dessen, was innerhalb von eins-zu-eins-Kommunikation bereits möglich ist.

5.4.2 Akteure der Massenmedien in sozialen Online-Netzwerken

Nachfolgend geht es nun um die Mitgliedschaft von Organisationen, die man gemeinhin den Massenmedien zurechnet. In diesem Zuge ist es offenkundig, dass zahlreiche Akteure der Massenmedien in sozialen Online-Netzwerken vertreten sind. Es stellt sich daher die Frage, ob Massenmedien hier etwa an ihrer Codierung und ihrer Funktion festhalten oder sich dies in sozialen Online-Netzwerken ggf. verändert. Naheliegend wäre bspw. die beidseitige Öffnung des Kommunikationskanals. Dies kann unter Bedingungen bidirektionaler eins-zu-eins Kommunikation ein Indiz dafür sein, dass Interaktionen realisiert werden. Die Codierung Information/Nicht-Information und die Funktion der Gesellschaftsbeschreibung und Irritation wäre zwar nicht gleich aufgehoben, aber der Standpunkt Luhmanns, dass die Massenmedien im Zuge der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft gar nicht anders können als so zu agieren wie sie agieren, stünde doch in einem anderen Licht.

Zum Beispiel: Heike findet das Profil der Tagesschau bei Facebook und schreibt der Tagesschau folgende persönliche Nachricht:

Tagesschau Facebook Korrespondenz

Abbildung: Korrespondenz zwischen Heike Ham209 und der Tagesschaus

Der entscheidende Punkt in der Korrespondenz zwischen Heike und der Tagesschau gemäß Abbildung 3 ist, ob die Tagesschau bestimmte Fragen nicht beantworten würde, denn Fragen implizieren den Grad möglicher Anschlusskommunikation. Die Antwort der Tagesschau anzustreben, jede Frage zu beantworten, heißt wiederum, dass der Grad der Anschlusskommunikation offen ist. Dies deutet daraufhin, dass hier nicht entlang eines strikt festgelegten Codes nämlich Information/Nicht-Information selegiert wird, sondern Interaktionen möglich sind. Die Möglichkeit der Interaktion bestätigt auch die Reaktionsgeschwindig-keit, mit welcher die Tagesschau die Fragen beantwortet hat. Ohne diese einfache empirische Prüfung überzubewerten sei es doch gestattet festzuhalten, dass einer der bedeuten-den Akteure der Massenmedien in Deutschland anders agiert als es die Definition der Massenmedien nach Luhmann hergibt. Hierzu nochmals Luhmann: „Entscheidend ist auf alle Fälle: daß keine Interaktion unter Anwesenden zwischen Sender und Empfängern stattfinden kann.“210 Die Korrespondenz zwischen Heike und der Tagesschau in Abbildung 3 belegt hingegen, dass Interaktion zwischen Empfängerinnen und Empfängern und einem Akteur der Massenmedien möglich ist.211

Hieraus lässt sich schlussfolgern: Während natürliche Personen als Mitglied in sozialen Online-Netzwerken Massenmedien-ähnliche Kommunikation realisieren können, können Akteure der Massenmedien in sozialen Online-Netzwerken Interaktionen realisieren.

5.4.3 Betreibergesellschaften sozialer Online-Netzwerke

Im letzten Abschnitt dieses Kapitels geht es um die Rolle der Betreibergesellschaften sozialer Online-Netzwerke. Zunächst ist festzuhalten, dass die Betreibergesellschaften sozialer Online-Netzwerke nicht selten Akteuren der Massenmedien angehören. Für die Fälle, für die dies nicht oder nicht mehr zutrifft, ist zumindest auffällig, dass die Betreibergesellschaften Medienkonzernen ähnlich operieren, denn die monetäre Mittelbeschaffung erfolgt fast ausnahmslos durch den Verkauf von Werbeflächen und durch die Teilnahme am Aktienmarkt.212 Die Geschäftsmodelle basieren folglich auf wirtschaftlichen Faktoren wie Gewinnorientierung und nicht etwa auf Konzepten, die von bloßer Gewinnorientierung absehen können.213 Es ergibt sich folglich die Eigentümlichkeit, dass sich soziale Online-Netzwerke in ihrem Wirken von den herkömmlichen Massenmedien wie oben gezeigt unterscheiden, die Betreibergesellschaften aber selbst Massenmedien-ähnlich entlang des Programms Werbung operieren, um so oder mittels Aktiengeschäften an das Wirtschaftssystem anzuknüpfen. D.h. die Betreibergesellschaften sind dem Medium Geld und damit dem Code Zahlung/Nicht-Zahlung verpflichtet. Es stellt sich die Frage, warum z.B. die Betreibergesellschaft eines sozialen Online-Netzwerks wie Facebook mit einer der mächtigsten Banken der Welt wie Goldmann Sachs, die für fragwürdige Geschäftspraktiken bekannt ist, kooperiert.214 Es geht hier nicht um die Bewertung einer solchen Zusammenarbeit, sondern um den Sachverhalt, dass eine Betreibergesellschaft eines sozialen Online-Netzwerks offenkundig wirtschaftliche Interessen verfolgt und diesem Interesse unter erheblichen Anstrengungen nachgeht. Im Unterschied hierzu sind andere Plattformen wie Wikipedia215 oder ein Großteil der Open Source Software offenbar andere Wege gegangen. Die Frage kann im Rahmen dieser Arbeit nicht abschließend beantwortet werden, aber sie weist darauf hin, dass Betreibergesellschaften sozialer Online-Netzwerke in puncto Wirtschaftlichkeit die gleichen Interessen verfolgen wie Akteure der Massenmedien.

Ferner kommt den Betreibergesellschaften auch bei der Selektion von Information eine entscheidende Rolle zu. Wie eingangs geschildert, sind die Suchergebnisse in Suchmaschinen nicht dem Zufall überlassen, sondern werden gesteuert. Dies trifft auch für die Nachrichtenfeeds sozialer Online-Netzwerke zu.216 Der Tatbestand, dass selektiert wird, ist bereits ausreichendes Indiz für die Feststellung einer Ähnlichkeit zwischen dieser Praktik und dem Mechanismus der Selektion entlang des Codes Information/Nicht-Information der Massenmedien. Es drängt sich die Frage auf, entlang welcher Codes die Betreibergesellschaften sozialer Online-Netzwerke selegieren. Ein Code ließ sich bereits feststellen: Der Code Zahlung/Nicht-Zahlung im Medium Geld und insofern liegt die Vermutung nahe, dass die Selektion der Informations- und Mitteilungsverbreitung in sozialen Online-Netzwerken dem Code Zahlung/Nicht-Zahlung untergeordnet ist oder diesem zumindest nicht widerspricht. Näher auf diese Frage einzugehen würde den Rahmen dieser Arbeit überschreiten.

Kommen wir noch einmal zurück zu Luhmanns These “[w]as wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“217. In den bisherigen Ausführungen wurde vor allem deutlich, dass die Systemtheorie in Anlehnung an Luhmann der Richtung folgt, dass soziale Netzwerke neben Interaktion, Organisation und funktional differenzierter Gesellschaft eine gesonderte Stellung als Sozialform einnehmen. Dabei sind soziale Online-Netzwerke eine noch recht junge Form der Darstellung dieser Sozialform. Wenn die These Luhmanns hinsichtlich der Wissensbeschaffung auf die Differenz ‚Massenmedien/Umwelt einer Person‘ abstellt, dann ist zu ermitteln, ob die Wissensbeschaffung auch anhand von Netzwerkkommunikation erfolgen kann. Auf den ersten Blick ist irritierend, dass es hierbei, wie im oben genannten Beispiel, nicht etwa um den Bericht zum Nahostkonflikt von Heikes Freundin aus Israel geht, denn dies ist deutlich Heikes Umwelt zuzuschreiben. Es sind hingegen die „weak ties“, die schwachen Verbindungen zweiten Grades, die eine andere Kommunikationsleistung als die Differenz ‚Massenmedien/Umwelt einer Person‘ darstellen. Wenn Heike etwa einer Musikempfehlung über einen ihrer Kontakte zweiten Grades folgt und es sich bei der Musik um eine Produktions- und Verbreitungsleistung handelt, die nicht auf Verfahren der Massenmedien beruht (und das muss nicht der Fall sein), dann lässt sich der These Luhmanns in dieser Schärfe nicht mehr voll zustimmen.

Dennoch baut Information immer auf Information auf, und Massenmedien haben hieran einen erheblichen Anteil.218 Wenn es allerdings heißt, dass „Google […] [eines] jedoch mit Sicherheit nicht [ist], nämlich Massenmedien“219, dann kann dieser pointierten These vor dem Hintergrund der Erkenntnisse der vorliegenden Arbeit ebenso wenig zugestimmt werden. Google ist vorwiegend durch Werbeeinnahmen zu einem der größten Medienunter-nehmen der Erde geworden, und es ist ohne Zweifel hochgradig daran beteiligt Information zu selegieren.220 Google ist der systemtheoretischen Fassung der Massenmedien damit sehr nahe. Es wäre erstaunlich, wenn dieser Sachverhalt nicht auch in die Bestrebungen von Google+ also das soziale Online-Netzwerk von Google einfließen würde.

6 Fazit

Die vorliegende Arbeit beruht auf der Annahme, dass die Systemtheorie nach Niklas Luhmann, als Kommunikationstheorie verstanden, ein Instrumentarium darstellt, mit dem sich Phänomene wie soziale Online-Netzwerke analysieren lassen. Das Ergebnis ist die Anerkennung der Theorie mitsamt ihren Fortführungen als leistungsstarkes deduktiv analytisches Mittel. Sie ist als leistungsstark zu bezeichnen, weil aus Sicht des Autors keine zweite geisteswissenschaftliche Theorie bekannt ist, die über eine ähnlich skalierbare und universelle Anwendungsfähigkeit verfügt. Sie ist leistungsstark, weil sie in der Lage ist, mit ein und derselben methodisch begrifflichen Ausstattung einen weiten thematischen Bogen zu spannen und dabei heterogene Sachverhalte zu erfassen. Herzstück der Theorie ist der differenzielle binäre Schematismus einschließlich des Beobachtungsmechanismus. Der wissenschaftliche Gewinn dieser Methode ist zu nüchternen bewertungsneutralen Betrachtungen gesellschaftlicher Phänomene zu gelangen.

Während der Ausarbeitung des vorgestellten Systemtheorieauszugs zeichnete sich ab, dass es möglich gewesen wäre andere Schwerpunkte zu setzen und die Perspektive zu vergrößern oder zu verengen. Mit Perspektive ist dabei nichts anderes gemeint, als den Blickwinkel der Beobachtung zu fixieren und damit das Wie der Unterscheidung und Bezeichnung klarzustellen. Kapitel 2 diente dazu, das Was der Beobachtung, nämlich die wesentlichen Merkmale sozialer Online-Netzwerke, zu klären (Beobachtung erster Ordnung). Kapitel 4 formierte die Unterscheidungskategorien, um sie als Wie der Beobachtung sozialer Online-Netzwerke in Kapitel 5 zur Anwendung zu bringen (Beobachtung zweiter Ordnung). Im Hinblick auf die in Kapitel 4 skizzierten Unterscheidungskategorien wurde ein Mittelweg beschritten: Auf der einen Seite standen detailliertere Betrachtungsweisen z.B. bezüglich der Charakterisierung von Verbindungen oder des Hergangs von Kommunikation als Post in sozialen Online-Netzwerken. Auf der anderen Seite ging es um die makroskopische Gesamtsicht u.a. hinsichtlich der Einordnung sozialer Online-Netzwerke im Feld der Massenmedien. Weiteres Forschungsinteresse, aus einer Vielzahl möglicher Richtungen, besteht darin, kommunikative Vorgänge in sozialen Online-Netzwerken systemtheoretisch detaillierter zu untersuchen oder einen größeren gesellschaftlichen Zusammenhang zu unterschiedlichen Funktionssystemen wie Wirtschaft, Kunst oder Recht herzustellen. Letzteres könnte einer näheren Untersuchung der These der gesellschaftlichen Bedeutung heterogener Netzwerkphänomene als mögliches Substitut funktionaler Differenzierung am Übergang zu einer nächsten Gesellschaft nach Dirk Baecker Folge leisten.

Kommen wir zu den zentralen Analyseergebnisse der vorliegenden Arbeit: Soziale Online-Netzwerke bedeuten eine Ausweitung persönlicher Umwelten bei eindeutiger Adressierbarkeit einzelner Personen oder Organisationen. Soziale Online-Netzwerke wirken in dieser Hinsicht als strukturgebende Akkumulatoren und reduzieren Komplexität. Das Zustandekommen von Kommunikation basiert auf dem Verstehen, also auf der Empfangsleistung, was sich kaum deutlicher als in sozialen Online-Netzwerken zeigen könnte: Die Existenz eines sozialen Online-Netzwerks stünde auf dem Spiel, wenn niemand zugegen wäre, die oder der sich adressieren ließe um Kommunikationsofferten zu empfangen. Die kommunikative Bandbreite reicht von Interaktion über Netzwerkkommunikation, bei der vor allem die Verbindungen zweiten Grades von Bedeutung sind, bis hin zu massenmedialer one-to-many Kommunikation. Auf dieser Grundlage wird ein gesteigertes Maß an Polykontexturalität gezeichnet, d.h. heterogene Sachverhalte konzentrieren sich auf einen Punkt in der zugriffsfähigen Umwelt einer Person. Bei diesen Vorgängen ist nicht das Medium an sich, sondern die Nutzung seiner Möglichkeiten und Beschränkungen entscheidendes Moment seiner wahrnehmbaren Formen. Es geht in jeder Hinsicht um die operative Aktualisierung des Mediums als Kommunikationsleistung und dies auf ganzer Linie sozialer Online-Netzwerke, also im Sinne von Posts, persönlichen Nachrichten, Chats, aber eben auch hinsichtlich der Profilgestaltung, der Verbindungen und der weak ties.

Im Vergleich zu herkömmlichen Verbreitungsmedien wird vor allem eines deutlich: Soziale Online-Netzwerke sind weder vollkommen anders als andere Verbreitungsmedien noch gleichen sie anderen Verbreitungsmedien in Gänze. Entscheidend ist, entlang welcher Unterscheidung die Andersartigkeit skizziert wird und es kommt, wissenschaftlichen Ansprüchen folgeleistend, vor allem darauf an die Unterscheidung zu benennen. Hier ist bspw. der Sachverhalt der Interaktion anzuführen, also die Unterscheidung anwesend/abwesend, die schriftlich nur auf der Grundlage kurzer Texte möglich erscheint. Weiterführend ließe sich an anderer Stelle der Frage nachgehen, was mit dieser Art der Interaktion gewonnen ist. Gleiches gilt für die Verwendung sozialer Online-Netzwerke für one-to-many Kommunikation. Was hat es für eine Bedeutung, wenn nicht mehr nur privilegierte gesellschaftliche Instanzen wie die Massenmedien oder die Wissenschaft gesellschaftliche Selbstbeschreibung vollführen, sondern es prinzipiell jeder Person und Organisation gestattet ist, die sich Zugang zum Internet und zu sozialen Online-Netzwerken verschaffen kann? Diese Frage ist in der Diskussion um die gesellschaftliche Bedeutung des Internets und insbesondere im Feld Social Media nicht neu. Im Zeichen der vorliegenden Arbeit besteht das Interesse aber darin, dass sich diese Frage systemtheoretisch formulieren und sehr wahrscheinlich auch beantworten ließe.

Im Hinblick auf das Funktionssystem der Massenmedien bleibt offen, ob soziale Online-Netzwerke eine bestimmte gesellschaftliche Funktion, z.B. eine Gedächtnisleistung erfüllen und welche Bedeutung der Faktor der Temporalisierung hat. Eine hinreichende Klärung hätte den Rahmen der Ausarbeitung überschritten, und es lässt sich in diesem Punkt ebenfalls weiterer Forschungsbedarf feststellen. Hinsichtlich der Verbindungen zum Wirtschaftssystem wird allerdings deutlich, dass sich die Betreibergesellschaften sozialer Online-Netzwerke im Vergleich zu Akteuren der Massenmedien kaum voneinander unterscheiden. Es ist vor allem die Gewinnorientierung, ermöglicht durch Werbung und Aktiengeschäfte, die hier die Gemeinsamkeiten bilden. Darüber hinaus ist nicht auszuschließen, dass die Betreibergesellschaften sozialer Online-Netzwerke in die Selektion von Informationen eingreifen. Auch bleibt zu klären, welchem Code soziale Online-Netzwerke dabei folgen. Es stellt sich die Frage, ob und inwiefern der Zweck sozialer Online-Netzwerke, Kommunikation zu realisieren, durch das operative Wirken von Betreibergesellschaften beeinflusst wird. Soziale Online-Netzwerke lassen sich folglich erst eindeutig vom Funktionssystem der Massenmedien abgrenzen, wenn sie auf anderen Voraussetzungen fußen als dies beim Funktionssystem der Massenmedien der Fall ist. Polykontexturale, also stets gegenbeobachtbare Kommunikation, diffuse Beobachtungspositionen, eine technische Ebene, die kaum jemand versteht, ein wie auch immer gearteter Einfluss der Betreibergesellschaften auf Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken: Faktoren wie diese führen dazu, dass Kommunikation in sozialen Online-Netzwerken ein undurchsichtiges Geflecht einer Wirklichkeitsbeschreibung darstellt. Es kann hier frei von Desideraten, nahtlos an Luhmanns Verwunderung im Hinblick auf die Massenmedien angeknüpft und die Frage gestellt werden, warum es möglich ist, dass massenhaft Informationen intimer persönlicher Wirklichkeiten in sozialen Online-Netzwerken mitgeteilt werden, ohne dass bekannt ist, was mit diesen Informationen geschieht.

Fußnoten

1 Vgl. Lobo 2012; zur Selektivität von Informationen mittels Algorithmus bei Facebook vgl. Wanhoff 2011: 132ff.

2 Bis Kapitel 3 werden nur dann systemtheoretische Begriffe verwendet, wenn ausdrücklich darauf hingewiesen wird.

3 Es geht nicht um technische Gesichtspunkte oder darum, was, wieviel oder in welchem Stil in sozialen Online-Netzwerken kommuniziert wird.

4 Die dieser Arbeit zugrunde liegende Literaturrecherche bezüglich der Systemtheorie dringt nicht tiefer vor als bis zu den von Luhmann ausgearbeiteten Theoriestücken (Weiterführungen und Sekundärliteratur sind hiervon ausgenommen).

5 Vgl. insbesondere zum Theorieumfang und zur Theoriekomplexität Kapitel 3.2

6 Vgl. zur Bekanntheit des Begriffs Web 2.0 Alby 2008: 16

7 Wenn in dieser Arbeit vom Internet die Rede ist, ist insbesondere das World Wide Web gemeint. Über die Phänomene der vorliegenden Thematik hinaus soll auf weiterführende Ausführungen zur Entstehung und Entwicklung des Internets sowie des World Wide Webs verzichtet werden.

8 Münker 2009: 15

9 Vgl. Alby 2008: 15ff.; Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 25ff.; Münker 2009: 15ff.; O’Reilly 2005

10 Im Rahmen dieser Arbeit bleibt es bei der englischen Fassung des Begriffs Social Media. Dies liegt darin begründet, dass sich der Begriff soziale Medien systemtheoretisch herleiten lässt und insofern reserviert ist. In der Literatur sind neben Social Media die Termini Social Web und Social Software zu finden, die dem Verständnis nach nahezu deckungsgleich und für diese Arbeit synonym verwendet werden. (Vgl. Alby 2008: 89ff.; Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 25ff. et al.)

11 Auf eine engere Eingrenzung des Begriffs Medium soll an dieser Stelle verzichtet werden. Stattdessen wird auf die in dieser Arbeit gültige Definition gem. Kapitel 4.7 verwiesen. Gleiches gilt für den Begriff der Interaktion, der im Social Media Zusammenhang häufig genannt wird (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 2012a et al.). Aus systemtheoretischer Sicht bezeichnet der Begriff Interaktion eine bestimmte Variante sozialer Systeme, die die Anwesenheit der Beteiligten ohne technische Unterbrechung erfordert. Dies steht im weiteren Verlauf der Arbeit zur Diskussion (vgl. insbesondere Kapitel 4.6 i.V.m. Kapitel 5.2.2).

12 Vgl. Benkler 2006: 219; Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 32ff., 107f.; Münker 2009: 9f., 26; Wanhoff 2011: 13f.

13 Vgl. u.a. Kapitel 5.3.1

14 Vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 96f., 191; Wanhoff 12ff.

15 Generell basieren die Erkenntnisse der Fachliteratur zum Thema Web 2.0, Social Media, Social Web und soziale Online-Netzwerke meist auf empirischen Befunden (vgl. Alby 2008; Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011 et al.). Eine zweite Hauptrichtung beruft sich auf teils theoretische, teils empirische Erkenntnisse insbesondere der Sozialwissenschaften (vgl. Anklam 2007; Christakis/ Fowler 2010 et al.). Neben den Ausgangsdaten spielt die gewählte Perspektive bei den Beobachtungen (Draufsicht versus Beteiligung) eine entscheidende Rolle für die Analyseergebnisse (vgl. Häusler 2009: 2f.; zum Vorgang der Beobachtung Kapitel 4.4). Innerhalb dieser Arbeit wird theoretisch sowie empirisch basierte Fachliteratur zitiert und überwiegend die Perspektive der Netzwerknutzerinnen und -nutzer (Beteiligung) verfolgt. Wenn die Perspektive im Verlauf der Arbeit geändert wird, erfolgt dies fließend. Es sei ebenfalls vorausgeschickt, dass in den nachfolgenden Ausführungen von Betrachtungen spezifischer Netzwerkmerkmale wie Netzwerkgröße, -heterogenität, -dichte oder mehrdimensionale Eigenschaften wie Bindungsstärke bestehend aus Nähe, Kontakthäufigkeit, Freiwilligkeit usw. abgesehen wird (vgl. Anklam 2007; Häusler 2009: 9 et al.).

16 Im Rahmen dieser Arbeit wird davon ausgegangen, dass die inhaltliche Steuerung sozialer Online-Netzwerke von Menschen übernommen wird, wohingegen bspw. bei Werbeschaltungen Computerprogramme einen Teil der Steuerung übernehmen.

17 Vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 102f.

18 Vgl. Steinschaden 2010: 25; Wanhoff 2011: 102

19 Vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 103f.; Häusler 2009: 33f.; Münker 2009: 76f.; Steinschaden 2010: 25ff.; Wanhoff 2011: 13

20 Vgl. Granovetter 1973: 1360ff.

21 Vgl. Häusler 2009: 4; Münker 2009: 76ff.; Steinschaden 2010: 14ff.; Wanhoff 2011: 13, 104ff.; Während Verbindungen zwischen Personen beidseitiger Bestätigung bedürfen, kommen die Verbindungen zwischen Personen und Organisationen bei Facebook durch einseitige Aktionen der Personen zustande (vgl. Steinschaden 2010: 25).

22 Twitter wird in der vorliegenden Arbeit ebenfalls als soziales Online-Netzwerk verstanden.

23 Vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 84ff., 106f.; Steinschaden 2010: 17ff.

24 Es wurde das Wort Post anstatt Nachricht gewählt, um es von persönlichen Nachrichten abzugrenzen.

25 Vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 117ff.

26 Vgl. ebd.: 106f.; Steinschaden 2010: 17ff., 20ff.; Wanhoff 2011: 124ff.

27 Vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 106f.; Wanhoff 2011: 13

28 Auf eine verdichtete Definition sozialer Online-Netzwerke wird verzichtet, da diese für die nachfolgenden Ausführungen zu kurz greifen würde (vgl. hinsichtlich kurzgefasster Definitionen bspw. Gabler Wirtschaftslexikon 2012b; Häusler 2009: 19; Wanhoff 2011: 12ff. et al.).

29 Komplexität bedeutet gemäß der Begriffsfassung Luhmanns, dass die Anzahl an Elementen ein Ausmaß annimmt, an welchem nicht mehr jedes Element jederzeit Zugriff auf jedes andere hat. Siehe ausführlicher hierzu insbesondere Kapitel 4.2.

30 Vgl. Berghaus 2011: 16ff.; Luhmann 1984: 13f.

31 Vgl. Berghaus 2011: 22f.; Luhmann 1984: 7ff.; Witt 2010: 11

32 Luhmann 1984: 13

33 Vgl. Berghaus 2011: 24ff.; Fuchs 2004: 14ff.; Luhmann 1984: 12f.

34 Luhmann 1984: 146

35 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 100ff.; Berghaus 2011: 26ff.; Luhmann 1984: 30; Es sei darauf hingewiesen, dass bereits einige Begriffe wie selbstreferenzielle Systeme, Umwelt oder Operation verwendet wurden, die systemtheoretisch reserviert sind. Ausführungen zu diesen Bergriffen folgen im weiteren Verlauf der Arbeit.

36 Systemtheoretische Begriffspaare bzw. Differenzen werden in der vorliegenden Arbeit durch Querstriche ohne darauffolgende Leerzeichen angezeigt. Siehe ausführlich zu System/Umwelt Kapitel 4.1 und zu Medium/Form Kapitel 4.7.1.

37 Luhmann 2006: 81

38 Vgl. Berghaus 2011: 23; Luhmann 1984: 7ff.

39 „Solange Menschen existieren, gibt es auch Gesellschaft.“ (Luhmann 1984: 549; vgl. ebd.: 288f.)

40 Vgl. Berghaus 2011: 33f., 63ff.; Auf die Definition sozialer Systeme wird in Kapitel 4.1 i.V.m. 4.6.1 eingegangen.

41 Luhmann 1984: 162

42 Vgl. Luhmann 1984: 15 i.V.m. Berghaus 2011: 39; Luhmann nennt neben den drei genannten Systemtypen Maschinen, schenkt diesem Systemtyp aber wenig Beachtung. Deshalb bleibt er an dieser Stelle unberücksichtigt.

43 Berghaus 2011: 38

44 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 195ff.; Berghaus 2011: 38f.; Luhmann 1984: 34ff.; Luhmann 1997: 60ff.

45 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 195ff.; Berghaus 2011: 39ff., 56ff.; Fuchs 2004: 63ff.; Luhmann 1984: 34ff., 243; Luhmann 1997: 60ff.

46 Dies ist ein für Luhmann typisch paradoxer Sachverhalt (vgl. Luhmann 1984: 236; Luhmann 1997: 138).

47 Vgl. zum Beispiel die selektiven Mechanismen der Kommunikationskomponenten in Kapitel 4.6.2

48 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 93ff.; Fuchs 2004: 57ff.; Luhmann 1984: 45ff., 236, 313f.; Luhmann 1997: 137ff.;

49 Element hier verstanden als ein über die systemtheoretische Definition hinausgehender Sachverhalt.

50 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 42f.

51 Luhmann 2006: 329

52 Ebd.: 333

53 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 184ff.; Luhmann 1984: 383ff., 389ff.; Luhmann 2006: 323ff.

54 Ohne hierauf ausführlicher einzugehen ist festzuhalten, dass eine Beobachterin oder ein Beobachter als eine Folge von Beobachtungssequenzen eines Systems zu verstehen ist. In diesem Sinne ist eine Beobachterin oder ein Beobachter ein beobachtendes System, das nicht über den Dingen schwebt und so eine teil- oder allumfassende Observation von außen durchführt. Beobachtende Systeme sind aus systemtheoretischer Sicht immer mitten im Geschehen. (Vgl. Luhmann 2006: 142)

55 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 124ff.; Fuchs 2004: 24ff.; Luhmann 1997: 69f.; Luhmann 2006: 142ff.

56 Ob weitere Systemarten ebenfalls in der Lage sind Beobachtungsoperationen durchzuführen, lässt Luhmann offen (vgl. Luhmann 2006: 148).

57 Vgl. Fuchs 2012: DVD 1 – Kapitel 2; Luhmann 2006: 147f.

58 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 126f.; Fuchs 2004: 34ff.; Luhmann 2006: 155ff.

59 Vgl. hierzu auch die Methode des Konstruktivismus bspw. bei Fuchs 2012

60 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 163ff.; Berghaus: 43ff.; Fuchs 2012: DVD 1 – Kapitel 1, 2, DVD 2 – Kapitel 4; Luhmann 1984: 25f., 58ff., 593ff.; Witt 2011: 37, 55ff., 89ff.

61 Vgl. Berghaus 2011: 61ff.; Luhmann 1984: 33, 60ff., 560ff.

62 Vgl. ebd.

63 Um die Voraussetzung zu erfüllen, befinden sich soziale Systeme i.d.R. in einem systemübergreifenden Verbindungsnetzwerk. In diesem Zusammenhang geht es meist um den Begriff der strukturellen Kopplungen, ohne dass nachfolgend explizit auf diesen Begriff näher eingegangen wird.

64 Der Begriff Interpenetration ist eine Sonderform struktureller Kopplungen und meint lediglich die Verbindungen zwischen psychischen und sozialen Systemen (vgl. Fuchs 2012 et al.).

65 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 85ff.; Luhmann 1984: 294; Siehe die Ausführungen zu Sinn und Sprache in Kapitel 4.7

66 Vgl. Luhmann 2006: 288ff.

67 Zur Ablösung des Übertragungsmodells gehört außerdem die Einführung des Begriffs Medium/Form, der Gegenstand des Kapitel 4.7.1 ist.

68 Vgl. Berghaus 2011: 76ff.; Luhmann 1984: 193ff., 203ff., 237f.; Luhmann 1997: 194f.; Luhmann 2006: 289ff.

69 Vgl. Kapitel 4.8

70 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 76ff.; Luhmann 1984: 68f., 102ff.

71 Der Möglichkeitshorizont, innerhalb dessen eine Auswahl erfolgen kann, wird auch als Kontingenz bzw. doppelte Kontingenz bezeichnet, wenn die Beobachtungsoperationen Alters und Egos aufeinander treffen. Obwohl der Begriff der doppelten Kontingenz ein zentraler Begriff in vielen Zusammenhängen der Systemtheorie ist, wird er im Rahmen dieser Arbeit nicht weiter ausgeführt. (Vgl. Luhmann 1984: 148ff.)

72 Vgl. Berghaus 2011: 80f.; Luhmann 1984: 195; Luhmann 2006: 296

73 Vgl. Berghaus 2011: 82ff.; Luhmann 1984: 203; Luhmann 2006: 297ff.

74 Vgl. Berghaus 2011: 90ff.; Luhmann 1984: 207f.; Luhmann 1997: 347

75 Luhmann 1997: 190

76 Vgl. Berghaus 2011: 98f.; Luhmann 1997: 141

77 Luhmann 1984: 203

78 Vgl. Kapitel 4.7.3.2; Berghaus 2011: 99ff.; Luhmann 1984: 198, 204f.

79 Vgl. weiterführend Kapitel 5.2

80 Vgl. Kapitel 4.2 und 4.3

81 Vgl. Kapitel 4.4

82 Vgl. Kapitel 4.5

83 Luhmann 1997: 141

84 Vgl. Berghaus 2011: 104f.; Luhmann 1997: 879ff.

85 Vgl. Berghaus 2011: 104; Kapitel 5.4

86 Vgl. Luhmann 1984: 217ff.; Luhmann: 1997: 190f.

87 Vgl. ebd.

88 Luhmann 1984: 218;

89 Ebd.

90 vgl. Luhmann 1984: 217ff.; Luhmann: 1997: 191

91 Vgl. Berghaus 2011: 111; Luhmann 1984: 217ff.; Luhmann: 1997: 190f.

92 In Anlehnung an Berghaus 2011: 117

93 Siehe hierzu den Begriff Interpenetration in Kapitel 4.6.1

94 Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien dienen dazu, die Motivation zur Annahme eines Kommunikationsangebots zu steigern und steigern insofern den kommunikativen Erfolg. Zu den symbolisch generalisierten Medien zählen: Liebe, Eigentum/ Geld, Macht/ Recht, Kunst oder Grundwerte. Es geht hierbei um konditionelle wenn/ dann Beziehungen wie zum Beispiel: Jemand händigt Waren aus, weil dieser hierfür im Gegenzug Geld bekommt. (Vgl. Luhmann 1984: 220ff.)

95 Es sei vorausgeschickt, dass Luhmanns Medienbegriff im Begriff der Massenmedien (vgl. Kapitel 4.8) enthalten ist, aber ein wesentlich breiter gelagertes Phänomen beschreibt. Die Assoziation entlang der Massenmedien im Sinne des alltäglichen Gebrauchs von „die Medien“ ist daher zu vermeiden.

96 Luhmann 1984: 220

97 Berghaus 2011: 111

98 In Abgrenzung zum Übertragungsmodell skizziert in Kapitel 4.6.1

99 Inwiefern dieses Bild auf Soziale Online-Netzwerke anzuwenden ist, wird in Kapitel 5.3 geklärt.

100 Vgl. Berghaus 2011: 111ff.; Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 58ff.; Luhmann 1984: 220ff.; Luhmann 1997: 190ff.

101 Vgl. Berghaus 2011: 120ff.; Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 173ff.; Luhmann 1984: 92ff.; 111ff.; Luhmann 1997: 44ff.

102 Luhmann 2002: 233

103 Dabei arbeitet auch Sinn entlang einer Differenz. Diese lautet Potentialität/Aktualität.

104 Berghaus 2011: 124; Die drei Sinndimensionen arbeiten jede für sich mit genaueren Unterscheidungen innerhalb von Potenzialität/Aktualität.

105 Vgl. Berghaus 2011: 120ff.; Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 173ff.; Luhmann 1984: 92ff.; 111ff.; Luhmann 1997: 44ff.

106 Beispiele in Anlehnung an Berghaus 2011: 124 i.V.m. Luhmann 1984: 114ff.

107 Beispiele in Anlehnung an Berghaus 2011: 125

108 Luhmann 1997: 195

109 Vgl. Kapitel 4.6.3 und 4.7

110 Luhmann 1997: 205

111 Sprache stellt neben Sinn die Verbindung zwischen psychischen und sozialen Systemen her. Ohne solch eine Verbindung, die systemtheoretisch unter dem Begriff der strukturellen Kopplung (s.o.) geführt wird, könnten bspw. soziale Systeme nicht existieren, weil sie aufgrund ihrer operativen Geschlossenheit keinen Zugriff auf Informationen hätten. Informationszugriff ermöglicht erst die Teilnahme psychischer Systeme. (Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 186ff.; Fuchs 2012: DVD 2 – Kapitel 3)

112 Luhmann 1984: 220

113 Luhmann 1984: 209

114 Vgl. Kapitel 4.4

115 Vgl. Berghaus 2011: 126ff.; Luhmann 1984: 209ff.; Luhmann 1997: 205ff., 218

116 Dies beherbergt ihre binäre Codierung und ist maßgebend für den Begriff des Codes, der in Bezug auf Medien für eine strikt binäre Stellung verwendet wird. Siehe hierzu Kapitel 4.8.

117 Vgl. Kapitel 4.6.2

118 Vgl. Berghaus 2011: 126ff.; Luhmann 1984: 209ff.; Luhmann 1997: 205ff., 218

119 Vgl. Kapitel 4.6.3

120 Vgl. Kapitel 4.6.2

121 Vgl. Berghaus 2011: 142ff.; Luhmann 1984: 128f., 580ff.; Luhmann 1997: 249ff.

122 Berghaus 2011: 154

123 Beispiel in Anlehnung an Berghaus 2011: 73; vgl. Kapitel 4.6.2

124 Eine weitgefasste Definition von Autorität wird bei Luhmann als „Fähigkeit, Gründe anzugeben, die aber als Fähigkeit schon wirkt“ (Luhmann 2006: 304) skizziert. Die bloße Wirkung der Fähigkeit bedeutet, dass sich die Angabe von Gründen erübrigt und Autorität insofern auf „Unsicherheitsabsorption“ hinausläuft. (Vgl. Luhmann 2006: 304f.)

125 Vgl. Berghaus 2011: 160ff.; Luhmann 1984: 128f.; Luhmann 1997: 291ff.

126 Der Begriff Technik meint ein Konditionalprogramm, das unabhängig von Umwelteinflüssen gleichbleibende voraussehbare Resultate liefert. Im Unterschied zu losen Kopplungen der Medien bezeichnet Technik strikte Kopplungen von Ursache und Wirkung (Kausalketten) mittels derer sich heterogene Zusammenhänge verschalten lassen. Von gegensätzlichen Vorstellungen wie Materie/ Geist oder Technik/ Mensch gilt es sich zu lösen: Im Sinne der Konditionalprogrammatik unter den Bedingungen strikter Kopplungen schließt der Begriff zum Beispiel die Technik des Lesens, also eine enorm schnelle Verzahnung von Wahrnehmung und Minimotorik als auch computergestützte Rechenprozesse zur Informationsverarbeitung ein. (Vgl. Luhmann 1997: 524f.)

127 „Auch und gerade die modernen elektronischen Kommunikationstechnologien beruhen auf einer klaren Trennung der technischen Netzwerke von der Information und damit von der kulturellen Semantik, die mit ihrer Hilfe kommuniziert wird“ (Luhmann 1997: 522).

128 Luhmann 1997: 522f.

129 Im Zuge der Erwägungen zur Substitution von Medien und ihren Formen gilt es sich zunächst darauf zurückzubesinnen, dass es sich beim Begriffspaar Medium/Form nicht um physische Faktizität, sondern um eine systeminterne Unterscheidung hinsichtlich der Wahrnehmbarkeit von Objekteigenschaft handelt (vgl. Kapitel 4.7.1): Zu denken ist bspw. an die fortschreitende Digitalisierung ursprünglich analoger Medien, die nicht gleichbedeutend damit ist, dass die Medien bzw. ihre Formen verschwinden. Zum Beispiel: Medien und Formen auditiver oder audiovisueller Aufzeichnung und Wiedergabe bleiben erhalten, ob analog oder digital. Damit ist wiederum nicht gesagt, dass nicht neue und durchaus entscheidende Veränderungen mittels der Digitalisierung eintreten können.

130 Vgl. Berghaus 2011: 174

131 Luhmann (1998 verstorben) hat es zu seiner Zeit mit einer deutlich leistungsschwächeren technologischen Peripherie zu tun, was erklärt, dass seine zu diesem Thema vorliegenden Theoriestücke nicht dem heutigen Stand der Dinge entsprechen. Dennoch sieht er die erheblichen gesellschaftlichen Auswirkungen der Datenverarbeitungstechnologie und des Internets durchaus kommen. In diesem Zusammenhang stellt er zu seiner Zeit zukunftsweisende Fragen bspw., ob Computer kommunizieren können oder ob Computer über Intelligenz verfügen, lässt diese Fragen aber ausdrücklich offen. Somit kann Luhmann an seiner Definition von Kommunikation festhalten. Er konzentriert sich stattdessen auf die Beschreibung von Kommunikation mittels Computer. Die Kernfrage dreht sich dabei darum, wie sich durch Computer vermittelte Kommunikation gesellschaftlich auswirkt (vgl. Berghaus 2011: 183f.; Luhmann 1997: 303f). Kommunikation mittels Computer ist Anknüpfungspunkt im Rahmen der vorliegenden Arbeit und es wird zunächst ebenfalls ein Schnitt zur fortgeführten systemtheoretischen Diskussion in diesem Bereich gelegt. Erwähnenswert ist in diesem Zuge bspw. die Dualität des Computers als Maschine und Medium: „Elena Esposito (1993), sieht in Computern eine Dualität aus Medium und Maschine. Damit trägt sie vor allem der Tatsache Rechnung, dass ein Computer ein technisches System – eine Maschine – ist. Aber der Computer ist eine besondere Maschine, eine „Technologie der Kommunikation“ (Esposito 1993: 339), die Kommunikation einerseits verbreitet – wie ein Medium – aber andererseits auch verarbeiten kann, neu verknüpfen kann und so etwas anderes produziert, als hineingegeben wurde – wie eine Maschine.“ (Kluba 2002: 35f.; vgl. Esposito 1993: 338ff.)

132 Vgl. Kapitel 4.7.2; Während Sinn entlang der Differenz Potenzialität/Aktualität im Zuge laufender Kommunikationsprozesse ständig erneuert wird, greifen Computerprogramme auf einst festgelegte Sinnmuster zurück. Das Suchergebnis einer Suchmaschine gibt mehr oder weniger präzise Suchergebnisse auf der Grundlage eines Suchalgorithmus aus. Alter (Sozialdimension) ist nicht verortbar, und gleichfalls ist nicht erkennbar, warum gerade diese Suchergebnisse ausgegeben werden (Sachdimension).

133 Vgl. Berghaus 2011: 184ff.; Luhmann 1997: 303ff.

134 Vgl. Luhmann 2005: 139ff.

135 Vgl. Kapitel 2.2

136 Vgl. Kapitel 2.2.5

137 Vgl. Kapitel 4.7.3.1

138 Vgl. Berghaus 2011: 175ff.; Luhmann 1997: 302ff.

139 Luhmann 2009: 10; Es sei darauf hingewiesen, dass es sich bei den betreffenden Einrichtungen um solche handelt, die neben der Mitteilungsselektion, also der Verbreitungsleistung, auch die Informationselektion des Kommunikationsprozesses bestimmen. Dies geht aus den weiteren Ausführungen dieses Kapitels zum Code und zu den Programmen der Massenmedien deutlicher hervor.

140 Vgl. Berghaus 2011: 189ff.

141 Kapitel 4.6.2

142 Ein prominentes Beispiel für eine als Weblog begonnene hochfrequentierte Internet-Zeitung ist The Huffington Post (vgl. Huffingtonpost.com 2012), die 2011 für über 300 Millionen US Dollar von AOL gekauft wurde (vgl. Kopytoff/ Peters 2011). Quellen recherchiert bei Wikipedia.

143 Vgl. Berghaus 2011: 189ff.; Die Frage nach gesellschaftlicher Funktion soll hier offen gelassen werden, um sie am Ende des Kapitels durch die Funktion der Massenmedien zu beantworten.

144 Vgl. Luhmann 2009: 25ff.; Witt 2010: 55ff., 89ff.

145 Vgl. Kapitel 4.6.2

146 Aufgrund der Selektivität, nach welcher die Massenmedien arbeiten, kommt es nicht darauf an, ob etwas in der primären Realität existiert, über das sich berichten ließe. Ihr Code ist die Versicherung dafür, dass, gleichgültig ob die Realität es hergibt oder nicht, es jederzeit Informationen gibt, die sich senden lassen. Die Massenmedien entscheiden exklusiv darüber, was als Information zu bewerten ist und was nicht und sichern sich damit ihre Existenzgrundlage. (Vgl. Luhmann 2005: 262ff.; Witt 2010: 58ff.)

147 Luhmann 2009: 33

148 Vgl. Berghaus 2011: 202ff.; Luhmann 2009: 31ff., 103f.; Witt 2010: 92f.

149 Vgl. Luhmann 1997: 879ff.; Luhmann 2009: 118ff.

150 Vgl. Berghaus 2011: 246ff., 274f.; Luhmann 2009: 83f, 118ff.; Witt 2010: 111ff.

151 Vgl. Berghaus 2011: 249ff.; Lumann 1997: 1101f.; Luhmann 2009: 97ff., 118ff.; Witt 2010: 111ff., 125f.

152 Luhmann 2009: 9

153 Vgl. Berghaus 2011: 190; Luhmann 1997: 826

154 Berghaus 2011: 274

155 Luhmann 2009: 147

156 Vgl. Berghaus 2011: 273ff.; Luhmann 2009: 141ff.

157 Vgl. Luhmann 1997: 885; Beispiel in Anlehnung an Berghaus 2011: 272f.

158 Vgl. Witt 2010: 125f.

159 Im Zuge der Gegenüberstellung ergeben sich insbesondere zwei Schwierigkeiten: Zum einen muss klargestellt werden, dass es sich weitestgehend um die Beobachtungsperspektive bei der Verwendung im eingeloggten Zustand mittels Mitgliederprofil handelt. Die Draufsicht wird nur behelfsweise herangezogen (Kapitel 2.2 inklusive Fußnote). Zum anderen geht es um die deutliche Forderung Reifikationen in Bezug auf die Systemtheorie zu unterlassen: „Nur wenn man, wie mancher Kritiker, den Systembegriff „reifiziert“ und damit gründlich missversteht (vgl. Luhmann 1984, 244), kommt man auf die Idee, die Systemtheorie für die Analyse von Netzwerken für ungeeignet zu halten.“ (Tacke 2011: 16) Nachfolgend soll jedoch die hohe Abstraktionslage der Systemtheorie nun verlassen werden und auf den konkreten Fall sozialer Online-Netzwerke angewendet werden. Wenn dies nicht in gewissem Maße schon Reifikation bedeutet, so kommt es zumindest in dessen Nähe. Im Rahmen dieser Arbeit wird diese methodische Unsauberkeit zum Vorteil der Plakativität in Kauf genommen.

160 Im Ganzen soll es dabei weniger um die Aufdeckung erkenntnistheoretischer Zweifel an der Systemtheorie gehen, um dann die Systemtheorie selbst zur Diskussion zu stellen. Dies entspricht nicht der Zielsetzung dieser Arbeit. Dennoch ist bekannt, dass bspw. die „Realität der Massenmedien“ als eines der letzten Werke Luhmanns, mitunter als nicht abgeschlossener Entwurf angesehen wird und insofern teilweise anzweifelbar ist (vgl. Kluba 2002: 98ff.).

161 Vgl. Kapitel 2.1

162 Das Mitglied als Bewusstseinssystem verstanden.

163 Vgl. Münker 2009: 76f.; Ferner zeigen Cyberspace Experimente, dass das Aussehen und die Attraktivität von Avataren unabhängig vom Aussehen einer Person Einfluss auf das Verhalten sowohl innerhalb als auch außerhalb des Cyberspace hat (vgl. Christakis/ Fowler 2010: 331ff.).

164 Vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 110

165 Vgl. Kapitel 4.2 und 4.3

166 Vgl. Kapitel 4.6.1

167 Beispiel in Anlehnung an Wanhoff 2011: 124ff.

168 Siehe weiter unten zur Verwendung unterschiedlicher Formen (Text-, Audio-, Bild- und Videoinhalte).

169 Kapitel 4.5

170 Der Like Button bei Facebook wird nicht nur als Social Sharing Funktion für Webseiten, sondern auch für Posts und Kommentare auf Facebook verwendet. (Vgl. Facebook.com 2012a)

171 Gesteigerte soziale Redundanz und Öffentlichkeit sind Aspekte, die im Feld der Massenmedien insbesondere in Kapitel 5.4.1 wieder aufgegriffen werden.

172 Beispiel in Anlehnung an Berghaus 2011: 95ff.

173 Die Diskussion um die Notwenigkeit eines Dislike Buttons bei Facebook ist bekannt, soll aber keine weitere Erwähnung finden. (Vgl. Denk 2012 et al.)

174 Watzlawick/ Beavin/ Jackson 2011: 53

175 Luhmann 1984: 207

176 Vgl. Kapitel 4.3 i.V.m. 4.6

177 Vgl. Alby 2008; Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011; Münker 2009 et al.

178 Vgl. Baraldi/ Corsi/ Esposito 1997: 82ff.; Luhmann 1984: 560ff.; Luhmann 1997: 812ff.

179 Vgl. Luhmann 1997: 812ff.

180 Gesellschaft als Gesamtheit aller Kommunikation kommt hier nicht in Betracht.

181 Vgl. Fuchs 2012 et al.

182 Dass soziale Online-Netzwerke von Organisationen betrieben werden, wird in Kapitel 5.4.3 nochmals erläutert.

183 Dirk Baecker ist Soziologe und leitender Professor des Lehrstuhls für Kulturtheorie und -analyse an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen (vgl. Baecker 2012). Er ist Schüler Luhmanns und gilt als anerkannter „Weiterdenker“ der Systemtheorie (vgl. Festenberg 2007).

184 Vgl. Baecker 2007; Tacke 2011: 8

185 Veronika Tacke ist Soziologin und Professorin für Organisationssoziologie an der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld, der Universität, an welcher auch Luhmann als Professor tätig war (vgl. Bommes/ Tacke 2011: Autorenverzeichnis).

186 Vgl. Tacke 2011: 8; Bommes/ Tacke 2011

187 Vgl. Bommes/ Tacke 2011: 44ff.; Tackes Ansicht erinnert stark an Analysen zur neueren Wissens- und Informationsproduktion, ermöglicht durch soziale Produktionsmethoden im Internet, die abseits gewöhnlicher Organisations- und Subsystemstrukturen, so wie Luhmann sie beschreibt, operieren (vgl. Benkler 2006; Benkler 2011; Michelis/ Schildhauer 2012 et al.). Bekanntes Gesicht einer solchen Sozialform wäre u.a. Wikipedia. Dass die Leistungserbringung bei Wikipedia ebenfalls hierarchischen Strukturen unterliegt und auch einer Organisation angegliedert ist, ist bekannt. Allein aber schon die Tatsache, dass die eigentliche Leistungserbringung abseits monetärer Interessen und Motivationszwänge erfolgt, ist Kriterium genug Wikipedia nicht als Organisation zu bezeichnen. Ohne hierauf detaillierter eingehen zu können, sind die Parallelen zur systemtheoretischen Fassung von Kommunikationssystemen erheblich.

188 Der Austausch größerer Leistungen wird i.d.R. in Lebensbereiche außerhalb der Online-Netzwerke überführt. (Vgl. Beher/ Hilgert/ Mämecke 2011: 312)

189 Vgl. Ebersbach/ Glaser/ Heigl 2011: 85, 88

190 Vgl. Holzer 2011: 51ff.

191 Vgl. Luhmann 2005: 296f.; Fuchs 2012: DVD 1 – Kapitel 6 i.V.m. DVD 2 – Kapitel 4

192 Vgl. hierzu auch den Begriff doppelte Kontingenz in Kapitel 4.6.2 Fußnote 71

193 Vgl. Bommes/ Tacke 2011: 44ff.; Das Bild fluider Systemgrenzen deckt sich wiederum mit der in Kapitel 4.1 skizzierten dynamischen Systemstabilität.

194 Vgl. Kapitel 2.2; Hiervon zu unterscheiden sind bspw. HTML oder CSS Anweisungen, die in einigen sozialen Online-Netzwerken u.a. zur Gestaltung des Profils verwendet werden können.

195 Vgl. Tacke 2011: 13ff.

196 Das Universalmedium Sinn ist, wie in Kapitel 4.7.2 dargestellt, das Medium, welches die strukturelle Kopplung (Interpenetration) zwischen psychischen und sozialen Systemen herstellt. Sinn tritt vor allem im Hinblick auf Sprache und Verbreitungsmedien wieder in den Vordergrund, weshalb auf weitere Ausführungen an dieser Stelle verzichtet wird.

197 Symbolisch generalisierte Medien werden in dieser Ausarbeitung nicht berücksichtigt. Es sei aber darauf hingewiesen, dass soziale Online-Netzwerke ihre eigenen symbolisch generalisierten Medien wie z.B. die „Gefällt mir“-Funktion bei Facebook ausbilden können.

198 Auch in sozialen Online-Netzwerken wie bspw. MySpace ist die Anpassung des Profildesigns per CSS bekannt (s.o.). Derweil wird die Steuerung der Profildarstellungen der meisten sozialen Online-Netzwerke fast ausschließlich anhand menschlicher Sprache realisiert.

199 Zu denken ist vor allem an kostenneutrale Blogsysteme oder Baukastensysteme für Internetpräsenzen.

200 Vgl. Kapitel 4.2

201 Ohne Beschränkung auf soziale Online-Netzwerke ist hier neben bekannten Persönlichkeiten des Unterhaltungssektors u.a. an Plattformen wie WikiLeaks (vgl. Wikileaks.org 2012) oder extreme Formen der öffentlichen Diffamierung wie diese bspw. auf isharegossip.com (vgl. Spiegel.de 2011) vollzogen wurden, zu denken.

202 Es soll an dieser Stelle bei einer allgemeinen Aussage bleiben. Auf Aussagen über derzeitige Verbreitungsgrade bekannter sozialer Online-Netzwerke wird verzichtet.

203 Vgl. Bommes/ Tacke 2011: 31ff.

204 Vgl. Beher/ Hilgert/ Mämecke 2011: 312; Kapitel 2.2

205 Spezielle Einstellungen der Privatsphäre bleiben hier unberücksichtigt.

206 Jegliche Filter- oder Selektionsfunktionen, wie sie in sozialen Online-Netzwerken zum Einsatz kommen, bleiben hier unberücksichtigt.

207 Unter öffentlich wird hier ein unbestimmter Adressentenkreis verstanden.

208 Schrape 2011: 425

209 Name des Profils bei Facebook geändert.

210 Luhmann 2009: 10; vgl. Kapitel 4.8

211 Aus systemtheoretischer Sicht darf dies vor allem nicht als Argument fehlgedeutet werden, dass das Funktionssystem Massenmedien damit adressiert werden könnte. Auch hier gilt der Grundsatz, dass es sich bei Massenmedien um einen bestimmten Anteil gesellschaftlicher Kommunikation handelt, wo Gesellschaft aus nichts anderem besteht als Kommunikation. Die Organisationen sind Voraussetzungen für das soziale System (hier als gesellschaftliches Funktionssystem) aber nicht die Massenmedien an sich.

212 Beispiele: Wer-kennt-wen.de gehört zur RTL interactive GmbH (vgl. Wer-kennt-wen.de 2012). „Die VZ-Netzwerke finanzieren sich zu einem Großteil über Werbung“ (Studivz.net 2012). MySpace wurde 2011 von Rupert Murdochs Medienkonzern News Corp an die Internet-Werbefirma Specific Media verkauft (vgl. Taz.de 2011). Facebook ging 2011 an die Börse und finanziert sich u.a. durch Werbung (vgl. Nasdaq.com 2012; Facebook.com 2012b).

213 Stiftungen z.B. müssen zwar ihrerseits Mittel beschaffen, sind aber nicht darauf angewiesen, der Rendite halber renditeorientiert zu agieren, wie dies bei einer Aktiengesellschaft i.d.R. der Fall ist.

214 Vgl. Arte.tv 2012 i.V.m. Disclose.tv 2012

215 Wikipedia basiert z.B. auf einer Stiftung (vgl. Wikipedia.org 2012).

216 Vgl. Wanhoff 2011: 132ff.

217 Luhmann 2009: 9

218 Vgl. Benkler 2006: 37; Schmaltz 2012: 176

219 Münker 2009: 48

220 „Das Ziel von Google ist es, die Informationen der Welt zu organisieren und für alle zu jeder Zeit zugänglich und nützlich zu machen.“ (Google 2012)

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