Mesterkamp – laut und stickig (extended Version)
Der nachfolgende Beitrag ist die Ursprungsversion des Beitrags „Mesterkamp – laut und stickig“ erschienen im Blog des Stadtteilrat Barmbek-Süd.
450 Wohnungen sollen in naher Zukunft auf dem ehemaligen 34.000 Quadratmeter großen Busbetriebshof Mesterkamp entstehen. Die Fläche liegt jeweils hinter den Häusern südlich der Weidestraße und westlich der Hamburger Straße. Im Zuge des Bebauungsplans „Barmbek-Süd 2“, welcher dieses Gebiet erfasst, wurden u.a. eine Luftschadstoff- und eine schalltechnische Untersuchung durchgeführt, um die es hier gehen soll.
Die Luftschadstoffuntersuchung basiert auf Software-gestützten Berechnungen und Simulationen. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen die Luftschadstoffe NO¬2 (Stickstoffdioxid) sowie Feinstaub der Gattungen PM 10 und PM 2,5. Der Berechnung wird die Hintergrundbelastung gemessen an der Station „13ST Sternschanze“ des Hamburger Luftmessnetzes zugrunde gelegt. Hinzu gerechnet werden die verkehrsbedingten Abgasemissionen der Weidestraße mit 17.500 Kfz-Bewegungen und der Hamburger Straße mit 52.700 Kfz-Bewegungen. Die Zusammensetzung des Verkehrs nach Fahrzeugarten und –typen wird anhand von statistischen Daten ermittelt. Mittels dieser Klassifizierung werden Emissionsmengen errechnet.
Aus der Luftschadstoffuntersuchung gehen folgende Ergebnisse hervor: Der EU-weit geltende Grenzwert von durchschnittlich 40 µg/m3 (Mikrogramm pro Kubikmeter) NO2 in der Atemluft, wird auf dem Gehweg der Hamburger Straße mit 41 µg/m3 derzeit leicht überschritten. Hiervon ist allerdings in erster Linie die östliche Seite der Hamburger Straße betroffen. Grund hierfür dürfte sein, dass der Wind im Wesentlichen aus süd-westlicher und westlicher Richtung weht. Aus den Berechnungen gehen keine wesentlichen Überschreitungen hinsichtlich kurzzeitiger Spitzenwerte der NO¬2-Belastung hervor. Die Feinstaubkonzentrationen erreichen lediglich mittlere Werte von 22 µg/m3 für PM 10 und 16 µg/m3 für PM 2,5. Kurzzeitige Spitzenwerte und Feinstaub spielen somit eine nachgelagerte Rolle. Kurzum: „Entsprechend der Ergebnisse sind für den Bebauungsplan ‚Barmbek-Süd 2‘ keine Schutzmaßnahmen gemäß ‚Hamburger Leitfaden – Luftschadstoffe in der Bauleitplanung‘ festzusetzen“.
Diesen Erkenntnissen darf aus folgenden Gründen mit Skepsis begegnet werden:
Über 50.000 Menschen durchfahren pro Tag motorisiert die Hamburger Straße. Wir haben es mit einer der am höchsten frequentieren innerstädtischen Straßen Hamburgs zu tun. Ein Vergleich: In der Habichtsstraße sind pro Tag rund 40.000 motorisierte Durchfahrten zu verzeichnen also 10.000 weniger. Die Habichtsstraße gilt als eine der Straßen in Deutschland, die die höchste Luftverschmutzung aufweist. Der Unterschied: An der Habichtstraße wird die Luftverschmutzung gemessen. Da die Untersuchung des Bebauungsplans auf Berechnungen basiert und nicht auf Messungen, weiß also niemand genau wie hoch die Luftverschmutzung an der Hamburger Straße aktuell wirklich ist und welchen Einfluss diese Verschmutzung auf die umliegenden Quartiere hat. Der Vergleich zur Habichtsstraße macht aber eines deutlich: Die Luftverschmutzung muss immens sein.
Zudem wies die Messung der Deutschen Umwelthilfe in Zusammenarbeit mit dem Stadtteilrat Barmbek-Süd im Februar 2018 mit 47,9 µg/m3 NO2 eine deutlich höhere Belastung der Atemluft auf, als aus der hier vorliegenden Luftschadstoffuntersuchung hervorgeht.
Es ist richtig, dass die Berechnungen im Einklang mit den Grenzwerten gemäß der EU-Richtlinie liegen. Stünde jedoch die Gesundheit der Menschen im Mittelpunkt, müssten die Richtwerte der Weltgesundheitsorganisation heran gezogen werden. Allein schon die Hintergrundbelastung durch Feinstaub von 20 µg/m3 für PM 10 und 15 µg/m3 für PM 2,5 würden zu dauerhaften Überschreitungen der WHO-Richtwerte führen ohne, dass auch nur ein einziges Auto die Hamburger Straße durchfahren hätte.
Wenn der Wind im Wesentlichen aus süd-westlicher und westlicher Richtung weht (siehe oben), warum wurde dann nicht die westlich vom Untersuchungsgebiet liegende Adolph-Schönfelder-Straße mit immerhin rund 30.000 Kfz-Bewegungen in die Untersuchung einbezogen?
Die Ergebnisse der schalltechnische Untersuchung – ebenfalls basierend auf Berechnungen – lassen sich kürzer fassen: “Im Plangebiet werden an der Hamburger Straße Beurteilungspegel von bis zu 71 dB(A) tags und bis zu 64 dB(A) nachts berechnet.“ Dies entspricht drastischen Grenzwertüberschreitungen des der 16. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes. Die Lautstärkepegel an der Weidestraße erreichen laut Untersuchung ebenfalls kritische Werte.
Das Untersuchungsergebnis an der Hamburger Straße deckt sich nicht mit der Antwort der Behörde für Umwelt und Energie auf eine Senatsanfrage seitens der GRÜNEN aus dem Jahre 2016. Demnach ist die Hamburger Straße mit Spitzenwerten von 78 dB(A) (Schalldruckpegel) tagsüber und 69 dB(A) nachts noch deutlich lauter. Der Unterschied ist nicht zu vernachlässigen, denn 7 dB(A) entsprechen nahezu einer Verdopplung der wahrgenommen Lautstärke. 2017 wurden diese Werte durch eigene Messungen des Hamburger Abendblatts bestätigt so wörtlich: „Besonders laut war es an der Hamburger Straße (Höhe Nr. 190) mit 75 bis 80 Dezibel […], gemessen auf dem Bürgersteig.“
Schon fast albern wirkt der Vorschlag was man dem Lärm laut Untersuchung entgegensetzen will: Schlaf- und Kinderzimmer sollen von der Hamburger Straße abgewandt gebaut werden. Und noch absurder: Gemäß der Luftschadstoffuntersuchung soll die Randbebauung zwischen Mesterkamp und Hamburger Straße durchlässiger werden, was zu einer Verbesserung des Luftaustauschs führen soll. Mit einer höheren Durchlässigkeit zwischen Mesterkamp und Hamburger Straße dürfte der Lärm im Quartier also zunehmen.
Der Bebauungsplans „Barmbek-Süd 2“ wirkt als wolle das Bezirksamt-Nord die Problemwirkung der Hamburger Straße kaschieren. Seit Jahrzehnten ignoriert die Hamburger Politik und Verwaltung, welche lebensfeindliche Wirkung von der Hamburger Straße ausgeht. Sie drückt sich seit Jahrzenten vor ihrer Verantwortung die Problemursache anzupacken und die Hamburger Straße für die hier lebenden Menschen auf ein lebenswertes Maß zurück zu bauen. Nicht der Rückbau sondern der aktuelle Zustand der Hamburger Straße ist radikal. Städte wie Kopenhagen, Amsterdam, Barcelona oder Vancouver liefern längst empirische Belege dafür, dass es möglich ist extreme Verkehrsaufkommen drastisch zu reduzieren. Solange diese Einsicht nicht in Hamburg Einzug hält, bleibt die Hamburger Straße was sie ist: Eine städtebauliches Desaster.
Buchtipp für die Planung des Mesterkamps: „Städte für Menschen“ von Jan Gehl