Über die Abschaffung des eigenen Autos

Über die Abschaffung des eigenen Autos

Wenn man das eigene Auto abschafft, begegnet einem hin und wieder folgende Reaktion: „Echt, obwohl ihr Kinder habt?“. Ich erwidere dann: „Nicht obwohl, sondern weil wir Kinder haben“. Warum? Weil die negativen Folgen übermäßiger Autonutzung allgegenwärtig sind: Luftverschmutzung, Lärmbelastung, Flächenverbrauch, Unfallrisiko neben einer immensen Ressourcenverschwendung für Herstellung und Betrieb – dies alles weit über die Grenzen unserer Generation hinaus. Die Frage, die mich also bewegt, lautet: Was lässt sich neben der Abschaffung des eigenen Autos noch tun, um eventuell einen kleinen Impuls für „weniger Auto“ zu setzen, ohne vollständig auf die Verfügbarkeit eines PKW als nachrangige Mobilitätsoption zu verzichten. Die Idee: Eine CarSharing-Station im Quartier. Hieraus entstand die Initiative CarSharing EMB https://carsharing-emb.de/

Inhalt dieses Beitrags

  1. Die Sache mit dem Bulli
  2. Alltag ohne Auto
  3. CarSharing und Mietwagen
  4. Kosten für CarSharing und Mietwagen
  5. Fazit

Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass ein privates Auto in einer Stadt wie Hamburg überflüssig ist. Ebenso kenne ich als gebürtiger Provinzler Gegenden in welchen die Abschaffung des Autos unter üblichen Lebensumständen kaum möglich ist. Der Grund hierfür sind zu überwindende tägliche Distanzen, die in ländlichen und suburbanen Landesteilen ohne Motorisierung kaum zu überwinden sind. Öffentliche Beförderungsangebote (ÖPNV) sind auf vielen Routen faktisch nicht vorhanden. Dies gilt für mittlere und längere Distanzen. Das gleiche gilt aber eben auch für kurze fußläufige Distanzen. Der Unterschied zum urbanen Raum hinsichtlich kurzer Distanzen liegt gerade darin, dass für fußläufige Distanzen fast uneingeschränkt öffentliche Verkehrsmittel als Alternative zum zu Fuß gehen genutzt werden können. Meine Vermutung ist, dass Entscheidungsspielräume einen erheblichen Einfluss auf das Mobilitätsverhalten haben. Hierzu mehr im Fazit.

Kurzum: Ich selbst hatte bis ins junge Erwachsenenalter hinein – noch im kleinstädtischen Raum lebend – nahezu uneingeschränkten Zugriff auf ein Auto und habe es viel genutzt.

Jährlich* Kosten Fahrleistung Abgas-Emission
CarSharing 3.000 € 4.000 Kilometer 600 Kilo
Privates Auto 6.096 € 14.000 Kilometer 2.100 Kilo
Differenz -3.096 € -10.000 Kilometer -1.500 Kilo

Tabelle 1: Durchschnittliche Autonutzung in Deutschland vs. Auto-reduziertes Mobilitätsverhalten (grobe Schätzung)

Die Sache mit dem Bulli

Als Vater einer fünfköpfigen Familie und rund 15 Jahre (ohne Auto) später waren wir übergangsweise nochmals für vier Jahre Besitzer*innen eines Autos – ein VW T4 California mit Hochdach. Es gibt wohl kaum ein zweites Auto, welches derart Kult-umwoben ist wie ein Bulli. Dieser Kult suggeriert vor allem eins: Das Gefühl von Freiheit. Und ja: Es gab Momente, an welchen wir in unserem kleinen mobilen Hotel fuhren, kochten, schliefen, an entlegenen Orten im Abendrot davor saßen – Momente also, die sich sehr gut anfühlten. Allerdings ist dies oft nur der eine Teil einer Bulli-Geschichte. Der Zweite heißt „Werkstatt“. Man ist gut beraten diesen zweiten Teil mit interessierter Gelassenheit zu tragen – soll heißen: Wir haben an diesem Auto so ziemlich alles ausgetauscht bzw. austauschen lassen, was sich austauschen lässt. Bis hin zum Motor. Mit diesen Erfahrungen habe ich ein gewisses technisches Interesse an Autos entwickelt. Wenn ich mir beispielweise vorstelle, dass ein moderner Katalysator der Euro-Norm 6 einem komplexen Chemiewerk ähnelt, und dieses ziemlich aufwändige Gerät unbedingt notwendig ist, damit man nicht an seiner eigenen Fortbewegungsmethode erstickt, lässt sich daraus folgendes schließen: Das Auto ist eine unzulängliche Erfindung. Es ließen sich nun viele weitere Beispiele für die vielen Unzulänglichkeiten des Autos entfalten; je mehr man sich die Ressourcenintensität, das Emissionsverhalten, die eklatante Ineffizienz etc. des eigenen Autos vor Augen führt, desto mehr wird es einem zur Last. Wenn der Bulli also ein Gefühl von freiem Leben auslöste, fühlte sich die Abschaffung des Gleichen umso mehr wie eine Befreiung an.

Eine Sache noch zum Camping: Die schönsten Plätze sind die, die man ausschließlich ohne Auto erreicht.

Alltag ohne Auto

Unseren täglichen Wege und die Anzahl der Termine im Terminkalender unterscheiden sich vermutlich nur wenig von denen vieler fünfköpfiger Familien in Hamburg: Wohnen und Schule in Barmbek, arbeiten in Altona und Mitte, Kita in Winterhude, Sportverein in Dulsberg und Eilbek, einkaufen in Wandsbek und ein über Norddeutschland verteilter Freundes- und Familienkreis.

Unser Hauptverkehrsmittel ist das Fahrrad und das war auch zu Zeiten des Bullis schon so. Zusammen legen wir an einem normalen Arbeitstag rund 30 Kilometer mit den Rädern zurück. Beide Elternräder sind mit den gleichen Kupplungen für Fahrradanhänger (ein Einsitzer und ein Zweisitzer) sowie Halterungen für Kindersitze ausgestattet. Damit können die Kinder von einem Elternteil in die Kita gebracht und anschließend der Weg zur Arbeit fortgesetzt werden. Der Anhänger bleibt ebenfalls in der Kita. So kann der andere Elternteil die Kinder nachmittags abholen, ohne den Anhänger mitbringen zu müssen. Der Großeinkauf wird einmal pro Woche erledigt. I.d.R. wird dann der Zweisitzer gut gefüllt nachhause gebracht. Wenn das Wetter zu lästig ist oder weil uns danach ist, fahren wir Bus und Bahn. In ganz seltenen Fällen – beispielsweise für fiebrige Kinderarztbesuche – wird ein Taxi gerufen.

CarSharing und Mietwagen

Wir sind der Auffassung, dass ein privates Auto unter normalen Lebensumständen in Hamburg überflüssig ist. Für uns wirkt die Nutzung eines eigenen Autos innerhalb Hamburgs eher unhandlich; die Vorstellung wieder eins zu besitzen, fühlt sich an als hätte man ein Klotz am Bein.

Stationäres CarSharing nutzen wir dann, wenn wir Hamburg verlassen und am Zielort weitere Fahrten unternehmen wollen. Für Familienbesuche übers Wochenende in Schleswig-Holstein zum Beispiel. So kommen wir auf rund 10 CarSharing-Nutzungen pro Jahr. Strecken, die länger als rund 250 Kilometer sind, unternehmen wir mit der Bahn und nehmen bei Bedarf vor Ort einen Mietwagen. In der Summe kommen wir so auf eine Fahrleistung von etwa 4.000 Kilometern pro Jahr. Der Besetzungsgrad des Autos – also die Anzahl Personen, die pro Fahrt befördert werden – liegt häufig bei fünf Personen. Zum Vergleich: Die durchschnittliche jährliche Fahrleistung eines Autos in Deutschland beträgt 14.000 Kilometer und der durchschnittliche Besetzungsgrad liegt bei 1,4 Personen. FreeFloating-CarSharing (stationsunabhängiges CarSharing) und Ride-Sharing/-Pooling-Angebote (Sammeltaxis) nutzen wir nicht und halten sie aufgrund relativ gut ausgebauter öffentlicher Mobilitätsangebote in Hamburg ebenfalls für überflüssig.

Kosten für CarSharing und Mietwagen

Die Kosten für ein eigenes Auto werden in aller Regel deutlich unterschätzt. Tatsächlich liegen die jährlichen Kosten – beispielsweise für einen einfachen Golf – laut ADAC bei über 6.000 Euro. Höhere Wagenklassen und umfangreichere Ausstattungen bedeuten höhere jährliche Kosten. Und verglichen mit den Kosten für einen 20 Jahre alten Bulli – ohne Worte… Kurzum: Für CarSharing und Mietwagen inklusive Sprit geben wir zusammengenommen rund 3.000 Euro im Jahr aus.

Im Preis inbegriffen ist dieses Gefühl: Jedes Mal, wenn wir das Auto an seinen Standort zurück bringen, den Schlüssel abgeben, uns umdrehen und gehen: „Kein Klotz mehr am Bein. Ein kleines bisschen Freiheit. Herrlich.“

Fazit

Der entscheidende Faktor an der Abschaffung des eigenen Autos ist, dass es sich wie ein Gewinn und nicht wie Verzicht anfühlt. Genau dies ist bei uns der Fall. Wir verzichten nicht weil wir uns in einer Stadt wie Hamburg auch ohne Auto darauf verlassen können, unterschiedliche Fortbewegungsmöglichkeiten wählen zu können – zu Fuß, Fahrrad, ÖPNV (U-Bahn, S-Bahn, Bus), Taxi. Darüber hinaus genießen wir mittels stationärer CarSharing- oder Mietwagen-Angebote die Freiheit, immer genau dann Zugriff auf ein Auto zu haben, wenn wir meinen, dass wir es brauchen. Dass es in aller Regel die letzte Mobilitätsoption ist, für die wir uns entscheiden, geschieht eher beiläufig. Gegenüber der durchschnittlichen Autonutzung (siehe Tabelle) erwächst hieraus ein Auto-reduziertes und damit umweltschonenderes Mobilitätsverhalten.

Quellen

Kosten: VW – Golf 1.0 TSI BMT Comfortline – vgl.: https://www.adac.de/_mmm/pdf/autokostenuebersicht_47085.pdf [Stand: Oktober 2018]

Fahrleistung: Die durchschnittliche jährliche Fahrleistung eines PKW beträgt in Deutschland etwa 14.000 Kilometer – vgl. https://www.kba.de/DE/Statistik/Kraftverkehr/VerkehrKilometer/verkehr_in_kilometern_node.html [Stand: Oktober 2018]

Abgas-Emissionen: Bei einem Abgas-Ausstoß von 150 Gramm pro Kilometer (vgl. https://www.umweltbundesamt.de/themen/verkehr-laerm/emissionsdaten) verursacht die Nutzung eines Autos im Durchschnitt jährlich: 14.000 x 150 Gramm Abgase = 2.100 Kilo Abgase (siehe Fahrleistung mit Auto) und 4.000 x 150 Gramm Abgase = 600 Kilo Abgase (siehe Fahrleistung ohne Auto). [Stand: Oktober 2018]

Ein Gedanke zu „Über die Abschaffung des eigenen Autos

Die Kommentare sind geschlossen.

Die Kommentare sind geschlossen.